Hypertonie: Verstecktes Natrium aus Brausetabletten kann schädlich sein

Etwa 75 % der Deutschen greifen laut Statistischem Bundesamt regelmäßig zu Nahrungsergänzungsmitteln (NEM). Damit sich NEM in Form von Brausetabletten im Wasserglas auflösen, enthalten sie oft hohe Mengen Natrium. Eine gesteigerte Natrium- bzw. Kochsalzzufuhr (Natriumchlorid) wird allerdings mit Hypertonie und einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen wie Schlaganfall oder koronare Herzkrankheit (KHK) assoziiert.

Eine aktuelle Studie [1] hat den Natriumgehalt von 51 NEM untersucht. Die Ergebnisse zeigen, Patient*innen mit Hypertonie sollten bei der Einnahme von bestimmten Nahrungsergänzungs- und Arzneimitteln besonders vorsichtig sein. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rät, die Natriumzufuhr auf weniger als 2 g pro Tag zu beschränken und auf stark natriumhaltige Lebensmittel sowie auf Nachsalzen des Essens zu verzichten. „In Deutschland liegt der durchschnittliche Wert weit darüber. Das liegt u. a. an sog. versteckten Natriumquellen“, erklärt Prof. Ulrich Kintscher, Sprecher der AG Hypertonie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e. V. (DGK). Das sind Nahrungsmittel wie z. B. Wurst, Käse oder Ketchup und Präparate zum Einnehmen, bei denen der hohe Salzgehalt nicht direkt erkennbar ist.
Auch Brausetabletten gehören zu diesen versteckten Natriumquellen, wie Forschende vom Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) nun herausfanden. Sie untersuchten 39 Vitamin-, Mineral-, Calcium- und Magnesium-Brausetabletten aus deutschen Drogerie-, Supermärkten und Discountern und 33 freiverkäufliche, apothekenpflichtige Schmerzmittel, Husten- und Erkältungsmedikamente sowie Calciumpräparate, die als Brausetabletten erhältlich sind, auf ihren Natriumgehalt. Abschließend verglichen sie die deutschen Produkte mit 51 NEM-Brausetabletten aus den USA. Die Ergebnisse zeigten, dass durch Brausetabletten die empfohlene Tagesdosis schnell überschritten wird. „Eine einzelne Vitamintablette enthielt durchschnittlich 380 mg Natrium. Das deckt bereits rund 20 % des täglichen Tagesbedarfs“, sagt Prof. Felix Mahfoud, Leitender Oberarzt der Klinik für Kardiologie des UKS. Aber auch Arzneimittel-Brausetabletten enthalten eine bedeutende Menge Natrium. „Insbesondere Schmerz- und Erkältungsmedikamente sind mit durchschnittlich 450 mg pro Brausetablette stark natriumhaltig. Bei einem der untersuchten Schmerzmittel liegt die maximale Tagesdosis laut Hersteller bei acht Tabletten. Das allein entspricht fast der doppelten Höchstmenge an Natrium, die die WHO pro Tag empfiehlt.“ Die Analysen deuten darauf hin, dass deutsche Produkte mehr Natrium enthalten als US-amerikanische. „Die Ergebnisse sind von großer Relevanz für das Management von Patientinnen und Patienten mit Hypertonie. Vielen ist der Natriumgehalt von Brausetabletten gar nicht bekannt. Auf apothekenpflichtigen Mitteln muss er angegeben werden, da wird er aber oft nicht beachtet. Auf Produkten aus Drogerien und Supermärkten muss er gar nicht angegeben werden“, warnt Dr. Michael Kunz vom UKS. Die Forschenden fordern daher, dass alle Hersteller von Brausetabletten verpflichtet werden sollten, den Natriumgehalt und das damit assoziierte Risiko auf der Verpackung anzugeben bzw. die Zusammensetzung der Brausetabletten zu überarbeiten und wenn möglich, Natrium einzusparen. Patient*innen sollten zudem angehalten werden, den Konsum von natriumhaltigen Brausetabletten stark einzuschränken und auf andere Dosierungsformen, z. B. Tabletten, auszuweichen.

Literatur
1. Kunz M, Götzinger F, Jacobs CM, et al.: Hidden sodium in effervescent- tablet dietary supplements and over-the-counter drugs: a comparative cross-sectional study. BMJ Open 2023; 13: e076302.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Kardiologie-, Herz- und Kreislaufforschung, Pressemeldung vom 03.01.2024



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 3/2024 auf Seite M124.

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