Junge Forschung: Junge Erwachsene werfen mehr weg als der Durchschnitt

In Deutschland werden viele Lebensmittel verschwendet, dabei ist der Anteil vermeidbarer Lebensmittelabfälle hoch [1]. Aktuelle Studien liefern Indizien dafür, dass insbesondere junge Erwachsene1 eine überproportional große Menge Lebensmittel entsorgen [1, 2]. Die an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Heilbronn durchgeführte Studie stützt diese Vermutung.

Ziel der Heilbronner Studie war die Exploration des Wegwerfverhaltens von Lebensmitteln bei jungen Erwachsenen, wobei die vermeidbaren Lebensmittelabfälle im Mittelpunkt stehen. Nach der Definition der GfK (Growth from Knowledge, ehemals Gesellschaft für Konsumforschung) sind damit Lebensmittelabfälle gemeint, die für den menschlichen Verzehr prinzipiell geeignet sind [1]. Im Alltag ist die Trennung nicht immer eindeutig und hängt damit von der Einschätzung der Testpersonen ab (z. B. Karottenschalen).

Methodik
137 Studierende des Studiengangs BWL nahmen 2019 an der Studie teil. In Anlehnung an eine GfK-Studie [1] dokumentierten die Studierenden jeweils ca. 14 Tage anonym und mithilfe einer mobilen Anwendung ihre Lebensmittelabfälle. Das Variablen-System der GfK wurde dabei weitestgehend übernommen, um Vergleichbarkeit sicherzustellen. Anders jedoch erfolgte die Erfassung nicht pro Haushalt, sondern pro Person, weil nur so das Verhalten der jungen Erwachsenen eindeutig erfasst werden konnte. Um Saisoneffekten vorzubeugen, wurden Daten sowohl im Frühjahr als auch im Sommer mit unterschiedlichen Testpersonen erhoben.

Ergebnisse
Nach Abschluss der Feldphase lagen ca. 1 000 Fotos und knapp 5 000 Antworten von 134 jungen Erwachsenen (51 % Studenten und 49 % Studentinnen) vor, die im Durchschnitt 15,9 Tage lang ihre Lebensmittelabfälle protokollierten. Das Durchschnittsalter lag bei 22,9 Jahren, die jüngste Person war 19 Jahre, die älteste 35 Jahre alt. Bei der Auswertung wurden die repräsentativen Korrekturfaktoren der GfK berücksichtigt [1].
Alle Befragten entsorgten neben den unvermeidbaren Abfällen auch Lebensmittel, die für den Verzehr prinzipiell geeignet gewesen wären. Sie dokumentierten durchschnittlich 250 g Lebensmittelabfälle pro Person und Tag, hiervon wurden 170 g als prinzipiell vermeidbar erfasst. Der Grad der Vermeidbarkeit lag damit bei über 65 %.

Diskussion
Die repräsentative GfK-Studie ermittelte 2017 einen durchschnittlichen Vermeidbarkeitsgrad von 44 % [1]. Unter Berücksichtigung der tendenziellen Unterschätzung vermeidbarer Lebensmittelabfälle geht man im Thünen-Paper [2] davon aus, dass 50 % der Lebensmittelabfälle vermeidbar sind, in absoluten Zahlen sind das ca. 75 g pro Person und Tag [2]. Die im Rahmen der Heilbronner Studie dokumentierte Menge ist mehr als doppelt so groß, was mit einem ebenso höheren Grad der Vermeidbarkeit einhergeht.
Auffallend bei der Heilbronner Studie ist, dass überdurchschnittlich viele Getränke und Milch entsorgt wurden, weshalb die Grammzahl zu relativieren ist. Es erscheint daher wichtig, abseits der Mengenverhältnisse insbesondere die zugrundeliegenden Ursachen des dokumentierten Wegwerfverhaltens zu beleuchten, um Rückschlüsse auf Handlungsmuster und Leitbilder der jungen Erwachsenen zu erlangen. So könnte es sein, dass das Wegwerfen von Lebensmitteln eine wenig reflektierte Konsumentscheidung darstellt oder dass sie das „Recht“ Lebensmittel wegzuwerfen als Teil ihres Strebens nach Selbstbestimmung, hier nach einem selbstbestimmten Essverhalten, sehen [4]. Gleichzeitig beeinflussen auch andere Faktoren wie verfügbare finanzielle Mittel, Einkaufsverhalten, Zeit etc. dieses Verhalten.

Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse der nicht repräsentativen Studie bestätigen die Vermutung für die Gruppe der Studierenden, dass junge Erwachsene mehr Lebensmittel wegwerfen als DurchschnittsbürgerInnen. Limitierend ist die Auswahl der Untersuchungsgruppe, die ausnahmslos Studierende sind und durch ihre Bildungsnähe nur eine Teilgruppe der jungen Erwachsenen darstellen. Gerade deshalb erscheint allerdings eine Korrelation von Alter und Wegwerfverhalten bei Lebensmitteln wahrscheinlich, weil die Bildungsnähe ein eher nachhaltigeres Konsumverhalten vermuten lässt.
Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Rolle junger Erwachsener als Trendsetter und Zukunftsträger erscheinen zielgruppengerechte Kampagnen gegen Lebensmittelverschwendung und für die Wertschätzung von Lebensmitteln sowie eine Stärkung der schulischen Bildung im Bereich der Ernährungs- und Verbraucherbildung empfehlenswert.


Prof. Dr. Beate Scheubrein
M.A. Maren Sauter

Duale Hochschule Baden-Württemberg, Heilbronn
Bildungscampus, 74076 Heilbronn
maren.sauter@heilbronn.dhbw.de 



Literatur

1. GfK SE: Systematische Erfassung von Lebensmittelabfällen der privaten Haushalte in Deutschland. Schlussbericht zur Studie durchgeführt für das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Nürnberg 2017.
2. Schmidt T, Schneider F, Claupein E: Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten in Deutschland – Analyse der Ergebnisse einer repräsentativen Erhebung 2016/2017 von GfK SE. Thünen Working Paper No. 92. Braunschweig 2018.
3. Tully C, Krug, W: Konsum im Jugendalter. Umweltfaktoren, Nachhaltigkeit, Kommerzialisierung. Schwalbach: Wochenschau Verlag 2011.
4. Körner T, Bartsch S: Pausenbrot in die Tonne? Zwischen Unbehagen und Freiheit zur Selbstbestimmung. HiBiFo 2012; 1(1): 67–81.



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 5/2020 auf den Seiten M258 bis M259.

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