Stoffwechselprodukte von Darmbakterien haben vielfältige Wirkungen – Propionsäure vermindert Entzündungsreaktionen.
Stoffwechselprodukte von Darmbakterien haben vielfältige Wirkungen – Propionsäure vermindert Entzündungsreaktionen.

Neurologie: Propionsäure wirkt antientzündlich bei Multipler Sklerose

Die kurzkettige Fettsäure Propionsäure beeinflusst vermutlich die darmvermittelte Immunregulation bei Menschen mit Multipler Sklerose (MS). Entsprechende Ergebnisse konnte ein Team der Neurologischen Klinik der Ruhr-Universität Bochum im St. Josef-Hospital in einer internationalen Studie zeigen [1]. Die Gabe von Propionsäure zusätzlich zu MS-Medikamenten reduzierte langfristig die Schubrate und das Risiko einer Behinderungszunahme.

Propionsäure entsteht im Zuge der Verstoffwechselung von Ballaststoffen aus der Nahrung durch Darmbakterien im Dickdarm und hat immunmodulatorische Eigenschaften. Das Darm-Mikrobiom entspricht „einem eigenständigen endokrinen Organ, das mit der Umwelt in Verbindung steht“, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Aiden Haghikia. Es spielt nicht nur für den gesunden Organismus eine wichtige Rolle, sondern auch im Zusammenhang mit Erkrankungen, die auf vielen Faktoren beruhen, wie der Multiplen Sklerose.

Kurzkettige Fettsäuren können Entzündungsreaktionen unterdrücken
Kurzkettige Fettsäuren wie die Propionsäure oder deren Salz Propionat, die PatientInnen mit MS in der Studie supplementiert wurden, führten zur vermehrten Entstehung und gesteigerten Funktion von regulatorischen Zellen des Immunsystems. „Diese Zellen beenden überschießende Entzündungsreaktionen und reduzieren im Kontext von Autoimmun-Erkrankungen wie der MS autoimmune Zellen“, so Prof. Dr. Ralf Gold, Direktor der Neurologie im St. Josef Hospital. Schon nach zwei Wochen konnte eine Erhöhung dieser Zellen nachgewiesen werden. Eine Nachuntersuchung nach dreijähriger Supplementierung zeigte eine reduzierte Rate an Schüben und körperlichen Einschränkungen sowie einen verringerten Nervenzelluntergang im Gehirn.

Der Darm als Ziel für therapeutische Ansätze in Zukunft
Die kurzkettigen Fettsäuren stellen nur einen Bruchteil der Stoffwechselprodukte von Darmbakterien dar, die durch die bakterielle Einwirkung aus der Nahrung entstehen. „Die weitere Erforschung dieses weitestgehend unbekannten Organs und die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden es erlauben, in Zukunft weitere innovative diätetische Maßnahmen zu den bekannten Therapeutika zu entwickeln“, so Haghikia. Die Ergebnisse der Studie sind in der Zeitschrift Cell vom 10. März 2020 veröffentlicht.

Literatur
1. Duscha A, Gisevius B, Hirschberg S, et al.: Propionic acid shapes the multiple sclerosis disease course by an immunomodulatory mechanism. Cell 2020; 180(6): 1067–80, E16.

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Pressemeldung vom 10.03.2020



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 5/2020 auf Seite M252.

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