Die Insulinwirkung im Gehirn bestimmt Körpergewicht und Fettverteilung – und wie man auf Lebensstilinterventionen reagiert. © IDM, DZD
Die Insulinwirkung im Gehirn bestimmt Körpergewicht und Fettverteilung – und wie man auf Lebensstilinterventionen reagiert. © IDM, DZD

Lebensstilintervention: Insulinwirkung im Gehirn bestimmt Körpergewicht und Fettverteilung

Die Insulinsensivität im Gehirn hat entscheidenden Einfluss darauf, wo sich Fett im Körper anlagert und wie stark PatientInnen von einer Lebensstilintervention profitieren können. Dies sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD), des Helmholtz Zentrums München und der Universitätsklinik Tübingen.

Wie ungesund Köperfett ist, hängt v. a. davon ab, wo es gespeichert wird. Lagert sich Fett im Bauchraum an, ist das besonders ungünstig. Denn das viszerale Fett setzt zahlreiche Botenstoffe frei, die sich u. a. auf den Blutdruck auswirken, die Freisetzung des Hormons Insulin beeinflussen und Entzündungen auslösen können. Dies erhöht das Risiko für Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Krankheiten und bestimmte Krebsarten. Das Unterhautfett (subkutanes Fett), das sich an Gesäß, Oberschenkeln und Hüften anlagert, hat dagegen keine bekannten negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.

Bisher ist unklar, warum die Fettspeicherung nicht bei allen Menschen am gleichen Ort erfolgt. Untersuchungen im Tübinger Lebensstil-Interventionsprogramm [1] deuteten darauf hin, dass die Insulinwirkung im Gehirn hier eine wichtige Rolle spielen könnte. Die ForscherInnen zeigten, dass Menschen mit einer hohen Insulinsensitivität im Gehirn deutlich stärker von einer Lebensstilintervention mit einer ballaststoffreichen Ernährung und Sport profitierten als Menschen mit einer Insulinresistenz im Gehirn.

Doch hat die Insulinsensitivität im Gehirn auch langfristig Einfluss auf die Verteilung des Körperfetts und auf das Gewicht? Diese Frage untersuchten Forschende des DZD, des Helmholtz Zentrums München und der Universitätsklinik Tübingen in einer Langzeitstudie. Dazu erfassten sie über einen Zeitraum von neun Jahren die Follow-up-Daten von 15 Teilnehmenden einer 24-monatigen Lebensstilintervention, bei denen vor Beginn der Intervention die Insulinsensitivität im Gehirn durch Magnetoenzephalografie bestimmt worden war.

Dabei zeigte sich, dass die Insulinwirkung im Gehirn nicht nur das Körpergewicht, sondern auch die Verteilung von Fett im Körper bestimmt. „Probanden mit einer hohen Insulinsensitivität im Gehirn profitierten von der Lebensstilintervention mit einer ausgeprägten Reduktion des Gewichts und des viszeralen Fettgewebes. Auch nach Ende der Lebensstilintervention lagerten sie während der neunjährigen Nachbeobachtung nur wenig Fettmasse wieder an“, berichtet der Studienleiter Prof. Dr. Martin Heni vom Universitätsklinikum Tübingen. Im Gegensatz dazu zeigten Personen mit einer Insulinresistenz im Gehirn nur in den ersten 9 Monaten des Programms eine leichte Gewichtsabnahme. „Danach stiegen das Körpergewicht und das viszerale Fett noch während der folgenden Monate der Lebensstilintervention wieder an“, so PD Dr. Stephanie Kullmann.

„Unsere Studie zeigt einen neuen und zentralen Mechanismus, der die Fettverteilung beim Menschen steuert. Die Insulinsensitivität im Gehirn bestimmt, wo sich Fett anlagert“, fasst Heni die Ergebnisse zusammen. Da viszerales Fett nicht nur bei der Entstehung von Diabetes mellitus Typ 2 eine Rolle spielt, sondern auch das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs erhöht, können die Studienergebnisse vielleicht auch neue Ansätze für Therapieoptionen über Stoffwechselerkrankungen hinaus eröffnen. Die Forschenden in Tübingen arbeiten bereits an neuen Therapien, um die Insulinresistenz im Gehirn aufzuheben und so die Körperfettverteilung günstig zu beeinflussen.

Literatur
1. Tschritter O, et al.: High cerebral insulin sensitivity is associated with loss of body fat during lifestyle intervention. Diabetologia 2012; 55: 175–82.

Originalpublikation
Kullmann S, et al.: Brain insulin sensitivity is linked to adiposity and body fat distribution. Nature Communications 2020; DOI: doi.org/10.1038/s41467- 020-15686-y.

Quelle: DZD, Pressemeldung vom 24.04.2020



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 7/2020 auf Seite M385.

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