Nachhaltigkeit: Fleischalternativen aus Pilzkulturen

Aus Pilzkulturen durch Fermentierung produzierter Fleischersatz ist eine nährstoffreiche, besonders proteinreiche Biomasse mit fleischähnlicher Konsistenz. Gegenüber Rindfleisch erfordern diese biotechnologischen Fleischalternativen deutlich weniger Landressourcen und können somit die Treibhausgasemissionen durch Viehhaltung und die Ausweitung von Acker- und Weideland stark senken, so eine Analyse des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), die mögliche Auswirkungen dieser bereits marktreifen Lebensmittel auf die Umwelt untersucht [1].

„Die Produktion und der Konsum von Nahrungsmitteln machen ein Drittel der weltweiten Treibhausgasemissionen aus, wobei die Produktion von Rindfleisch die größte Einzelquelle ist", sagt Florian Humpenöder, Forscher am PIK und Hauptautor der Studie. Das liegt zum Großteil daran, dass kohlenstoffspeichernde Wälder für Weide- oder Ackerflächen immer weiter gerodet werden sowie an weiteren Treibhausgasemissionen aus der landwirtschaftlichen Tierhaltung.

Das Forschungsteam aus Deutschland und Schweden hat mikrobielles Protein in einer Computersimulation in den Kontext des gesamten Agrar- und Ernährungssystems gestellt, um die Umweltauswirkungen zu ermitteln. Dieser Ansatz unterscheidet sich von früheren Studien, die nur einzelne Produkte betrachteten. Die Zukunftsszenarien der Forschenden reichen bis zum Jahr 2050 und berücksichtigen das künftige Bevölkerungswachstum, Nahrungsmittelnachfrage, Ernährungsgewohnheiten und Dynamiken der Landnutzung und der Landwirtschaft. Da der Fleischkonsum in Zukunft wahrscheinlich weiter ansteigen wird, könnten immer mehr Wälder und nicht bewaldete natürliche Vegetation für Weide- und Ackerflächen verloren gehen.
„Wir haben herausgefunden, dass sich die jährliche Entwaldung und die CO2-Emissionen durch die Ausweitung von Acker- und Weideland im Vergleich zu einem Weiter-So-Szenario halbieren würden, wenn wir bis 2050 20 % des pro-Kopf Konsums von Rindfleisch ersetzen würden. Weniger Rinder bedeuten weniger Bedarf an Futter- und Weideflächen und daher weniger Entwaldung – und reduzieren auch die Methanemissionen aus dem Pansen von Rindern und die Lachgasemissionen aus der Düngung von Futtermitteln oder der Güllewirtschaft“, sagt Humpenöder. „Hackfleisch durch mikrobielles Protein zu ersetzen wäre also ein guter Anfang, um die Umweltschäden der heutigen Rindfleischproduktion zu verringern.“
„Es gibt im Wesentlichen drei Gruppen von Fleischersatzprodukten“, erklärt Isabelle Weindl, Mitautorin und ebenfalls Forscherin am PIK. „Es gibt pflanzliche Produkte wie Soja-Burger (…), tierische Zellen, die in einem Wachstumsmedium kultiviert werden, auch bekannt als Labor- oder in-vitro-Fleisch, das bisher sehr teuer ist, (…). Und es gibt fermentativ gewonnenes mikrobielles Protein auf Basis von Pilzkulturen, das wir für sehr interessant halten. Schon heute ist eine große Produktpalette davon etwa in Großbritannien und Schweiz im Supermarkt erhältlich und, was wichtig ist, es kann weitgehend von der landwirtschaftlichen Produktion entkoppelt werden. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Herstellung von mikrobiellem Protein viel weniger landwirtschaftliche Fläche erfordert als die gleiche Menge Protein aus Fleisch – sogar, wenn man den Anbau des Zuckers einrechnet, den die Mikroben benötigen.“
„Biotechnologie kann eine wichtige Rolle spielen für Herausforderungen einer umweltschonenden Landwirtschaft, von der Erhaltung der Ökosysteme bis zur Verbesserung der Ernährungssicherheit“, fasst Mitautor Alexander Popp, Leiter der Forschungsgruppe Landnutzungs-Management am PIK, zusammen.

Mikrobielles Protein wird in speziellen Kulturen hergestellt, ähnlich wie Bier oder Brot. Die Mikroben brauchen Zucker und eine konstante Temperatur. Daraus entsteht ein sehr proteinreiches Produkt, das so schmeckt, sich so anfühlt und so nahrhaft ist wie Rindfleisch. Die Technik basiert auf der jahrhundertealten Methode der Fermentation und wurde in den 1980er Jahren entwickelt. Die US-amerikanische Lebensmittelbehörde FDA (Food and Drug Administration) gab 2002 grünes Licht für eine von Mikroben hergestellte Fleischalternative („Mycoprotein“) und stufte sie als sicher ein.

Literatur
1. Humpenöder D, Bodirsky B, Weindl I et al.: Projected environmental benefits of replacing beef with microbial protein. Nature 2022; 10.1038/s41586-022-04629-w.

Quelle: Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Pressemeldung vom 04.05.2022

 



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 7/2022 auf Seite M352.

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