Ökologie und Ökonomie: Palmölproduktion nachhaltiger gestalten

Palmöl wird oft v. a. mit der Abholzung tropischer Regenwälder in Verbindung gebracht. Das ist aber nur die eine Seite der Medaille, wie AgrarwissenschaftlerInnen der Universität Göttingen und der IPB University Bogor (Indonesien) in einer neuen Studie [1] zeigen.

Für die Studie werteten die WissenschaftlerInnen Forschungsergebnisse zu den ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Effekten des Ölpalmenanbaus in Afrika, Asien und Lateinamerika aus. Die Ergebnisse aus der internationalen Literatur kombinierten sie mit eigenen Daten aus Indonesien, die sie seit 2012 im Rahmen eines interdisziplinären deutsch-indonesischen Sonderforschungsbereichs (SFB 990) erhoben haben. Indonesien ist weltweit der größte Produzent und Exporteur von Palmöl. Ein Großteil des dort produzierten Palmöls wird auch nach Europa exportiert und in der Nahrungs-, Kosmetik- und Biokraftstoffindustrie verwendet.

Die Forschungsdaten zeigen, dass die Palmölproduktion in einigen Regionen der Welt – v. a. in Indonesien und Malaysia – erheblich zur Abholzung von Regenwäldern und zum Verlust von Artenvielfalt beiträgt. Durch die Rodung kommt es zudem zu hohen CO2-Emissionen und anderen ökologischen Problemen. „Deswegen die Produktion oder den Handel mit Palmöl zu verbieten, wäre aber keine nachhaltige Lösung“, konstatiert Prof. Dr. Matin Qaim, Agrarökonom an der Universität Göttingen und Erstautor der Studie. „Denn die Ölpalme produziert pro Hektar Fläche mehr als dreimal so viel Öl wie etwa Soja, Raps oder Sonnenblumen. Wollte man Palmöl komplett durch andere Pflanzenöle ersetzen, bräuchte man also deutlich mehr Fläche und müsste zusätzliche Wälder und Naturräume in Ackerland umwandeln.“ Palmöl zu verbieten hätte auch negative wirtschaftliche und soziale Effekte in den produzierenden Ländern, denn im Gegensatz zur verbreiteten Annahme würde rund die Hälfte des Palmöls weltweit von Kleinbauern produziert. „Obwohl es in einigen Regionen auch zu Konflikten über Landrechte kommt, hat der Ölpalmenboom die ländliche Armut in Indonesien und anderen Anbauländern insgesamt deutlich reduziert“, so Qaim.

„Ziel muss es sein, die Palmölproduktion umwelt- und klimafreundlicher zu gestalten“, meint Prof. Dr. Ingo Grass, Agrarökologe an der Universität Hohenheim, der ebenfalls an der Studie beteiligt ist. Ihm zufolge sind hohe Erträge auf den bereits genutzten Flächen wichtig, um die noch verbleibenden Regenwälder zu schonen. Wenn Ölpalmenanbau in Mosaiklandschaften mit Waldstreifen und anderen Natur- und Kulturpflanzen kombiniert werde, könne dies ebenfalls zum Erhalt von Biodiversität und Ökosystemfunktionen beitragen. Nachhaltigere Produktionssysteme zu entwickeln und umzusetzen, ist eine Herausforderung, bei der Forschung und Politik gleichermaßen gefragt sind, schlussfolgern die AutorInnen.

Auch VerbraucherInnen können ihren Beitrag leisten, indem sie Lebensmittel, Kosmetika und Kraftstoffe, die alle Pflanzenöle enthalten, bewusster konsumieren und Verschwendung vermeiden, so die AutorInnen.

Literatur
1. Qaim M, Sibhatu KT, Siregar H, Grass I: Environmental, economic, and social consequences of the oil palm boom. Annu Rev Resour Economics (online first on May 19, 2020). doi.org/10.1146/annurevresource-110119-024922 

Quelle: Georg-August-Universität Göttingen, Pressemeldung vom 19.05.2020



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 8/2020 auf Seite M451.

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