Soziale Medien sind eine eigene Lebenswelt – sie sollten genutzt werden, um Jugendliche zu erreichen. © dragana991/iStock/Getty Images Plus
Soziale Medien sind eine eigene Lebenswelt – sie sollten genutzt werden, um Jugendliche zu erreichen. © dragana991/iStock/Getty Images Plus

Social Media: Wie Fitness-Influencer mit Jugendlichen kommunizieren

Forscherinnen der Universität Witten/Herdecke haben untersucht, wie Influencer zu gesundheitsrelevanten Themen kommunizieren und Jugendliche in ihrem Verhalten beeinflussen [1]. Dazu wurden 1 000 Bilder von Deutschlands Top-50 Fitness-Influencern und teilweise Kommunikationsstränge mit bis zu 2 000 Kommentaren analysiert.

Die Ergebnisse sind eindeutig: Fitness-Influencer vermitteln Ernährung und Bewegung als Stellschrauben für die Perfektionierung des eigenen Körpers. Sichtbare Muskulatur und ein geringer Anteil an Körperfett sind Ideale des aktuellen Körperkults. Durch Kontrolle erschaffene, gestaltete Körper folgen einem unrealistischen Schönheitsideal, werden aber als Indikator für Kontrolle, Leistung und Macht angesehen.

„Jugendliche kommunizieren mit Influencern über das Internet wie mit besten Freundinnen (…) und sie suchen Rat, wie auch sie so perfekt werden können“, erklärt Katharina Pilgrim, die zu dieser Thematik ihre Doktorarbeit verfasst hat. „Dass die dargestellten Fotos aufwändig in Szene gesetzt und umfangreich bearbeitet sind, ist ihnen oft nicht bewusst.“
Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko, Betreuerin der Arbeit, ergänzt: „Jugendliche bewegen sich täglich mehrere Stunden in sozialen Netzwerken, dort informieren sie sich auch über gesundheitsrelevante Themen wie Ernährung und Bewegung. Wir müssen diese Art der Kommunikation und ihre Hintergründe verstehen, wenn wir gesundheitsfördernde Maßnahmen planen, sonst zielen wir an der Lebenswelt der Jugendlichen vorbei.“

„Nicht ständig, aber doch regelmäßig geht es auch um die Vermarktung von Produkten wie Sportbekleidung und Nahrungsergänzungsmittel,“ erläutert Pilgrim. Jugendliche gewinnen den Eindruck, dass die von ihren Idolen genutzten Produkte einen etwas einfacheren Weg zum angestrebten Äußeren bieten.
Auf zwei von drei Bildern wurde ein Hersteller, ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen eingebunden, wobei nur die Hälfte als Werbung gekennzeichnet war. Die Vermarktung und damit einhergehende Einnahmen stehen somit speziell bei Fitness-Influencern eindeutig im Fokus des Interesses. „Konsum, Schönheit und Glück werden so in einen direkten Zusammenhang gestellt“, sagt Prof. Dr. Bohnet- Joschko. Auf fast der Hälfte der Bilder waren Nahrungsergänzungsmittel in Pulver- oder Pillenform abgebildet.

„Die Fitness-Influencer prägen Jugendliche heute maßgeblich in ihren gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen. Dabei betreiben diese keine Gesundheitsförderung, sondern wollen Geld verdienen. Es besteht also ein deutlicher Bedarf, Jugendliche in ihrer psychischen und physischen Entwicklung zu schützen und zu begleiten“, betont Pilgrim.
„Aktuell sehen wir großes Interesse in der Medienwelt, wenn Influencer wegen Schleichwerbung abgemahnt werden. Aber viel wichtiger ist es, Lehrende, Erziehungsberechtigte sowie Entscheiderinnen und Entscheider zu befähigen, Minderjährige angemessen aufzuklären, zu beraten und zu schützen. Dazu gehört auch das Umdenken, die sozialen Medien als eigene Lebenswelt wahrzunehmen. Sie also nicht pauschal zu verdammen, sondern sie zu nutzen, um mit wirklicher Gesundheitsförderung die Jugendlichen zu erreichen“, legt Bohnet-Joschko nach.

Literatur
1. Pilgrim K, Bohnet-Joschko S (2019) Selling health and happiness how influencers communicate on Instagram about dieting and exercise: mixed methods research. BMC Public Health [DOI: 10.1186/s12889-019-7387-8]

Quelle: Universität Witten/ Herdecke, Pressemeldung vom 07.10.2019



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 11/2019 auf Seite M638.

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