Adipositas: Kritik am Begutachtungsleitfaden Adipositas-Chirurgie des Spitzenverbandes der Medizinischen Dienste der Krankenkassen

In einer Stellungnahme zum Begutachtungsleitfaden Adipositas-Chirurgie des Spitzenverbandes der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDS) vom 6. Oktober 2017 kritisieren die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) und die Chirurgische Arbeitsgemeinschaft Adipositas und Metabolische Chirurgie (CAADIP) der Deutschen Gesellschaft für Adipositas- und Viszeralchirurgie die aktualisierte Version des Begutachtungsleitfadens des MDS.

DAG und CAADIP begrüßen in ihrer Stellungnahme, dass metabolische Indikationen für eine adipositaschirurgische Operation nun im Leitfaden aufgenommen sind. Die Indikation sollte sich nicht ausschließlich am BMI, sondern primär am Risikoprofil der Patienten und der Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Therapieerfolges orientieren. Erstmals würden leitliniengemäß auch die Elemente einer konservativen Therapie aufgeführt, so der Kommentar von Prof. Dr. med. Dieter BIRK, Adipositaschirurg und Vorsitzender der CAADIP. Insgesamt hätte der MDS-Begutachtungsleitfaden jedoch schwerwiegende handwerkliche Fehler, so BIRK.

„Der Begutachtungsleitfaden dient dem Zweck, die Indikationsvoraussetzung für einen adipositaschirurgischen Eingriff zu prüfen. Der exponenziell gestiegene Wissens- und Erfahrungszuwachs in der Adipositaschirurgie der letzten 14 Jahre spiegelt sich in diesem Begutachtungsleitfaden des MDS aber leider nicht adäquat wider. Wir wünschen uns eine angemessene Berücksichtigung harter Langzeitdaten zu beiden Konzepten unter realen Lebensbedingungen“, ergänzt Prof. Dr. med. Matthias BLÜHER, Präsident der DAG.

Der Leipziger Adipositasexperte bemängelt, dass im Leitfaden weiterhin das „Konzept des Gegensatzes von konservativer gegen chirurgische Adipositastherapie und das des ‚bösen‘ Therapieversagers (Patienten) verfolgt würde, anstatt Überlegungen anzustellen, wie konservative und chirurgische Therapie zum Wohle der Patienten bestmöglich ineinandergreifen könnten.“ Die Empfehlung im Begutachtungsleitfaden, leitliniengerechte Bausteine konservativer Therapien über selbst zu zahlende IGEL-Leistungen abzudecken, empfindet BLÜHER als zynisch. „Der MDS sollte die Behandlungsnotwendigkeit anerkennen; der Rechtsanspruch bei Adipositas wurde in vielen Urteilen von Landesgerichten und vom Bundessozialgericht bestätigt.“

Steffy WIRTZ, Patientenvertreterin der DAG und Leiterin der „Adipositashilfe Nord“ empfindet die Versorgungssituation für Adipositaspatienten als „skandalös“. „Reha und Kuren werden abgelehnt, weil ambulante konservative Therapien ‚nicht ausgeschöpft‘ werden. Konservative Therapien als Heilmittel für schwer übergewichtige Menschen kommen aber im Leistungskatalog der Krankenkassen gar nicht vor! Die Nachsorge bei adipositaschirurgisch operierten Menschen ist in keiner Weise gesichert bzw. einheitlich geregelt – dabei ist sie das A und O für einen nachhaltigen Erfolg.“ Das sei inakzeptabel für Patienten.

Gemeinsames Statement der CAADIP und der DAG zum Begutachtungsleitfaden Adipositaschirurgie des Spitzenverbandes der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDS):
=>  www.dgav.de/fileadmin/media/texte_pdf/caadip/2017-10_CAADIP_Gemeinsames_Statement_MDS_Leitfaden.pdf 

Quelle: Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG), Pressemeldung vom 16.01.2018



Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 3/2018 auf Seite M130.

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