Deutsche Gesellschaft für Geriatrie: Neue Grenzwerte für Bluthochdruck kritisch für ältere Patienten

Die im November 2017 veröffentlichten niedrigeren Grenzwerte für Bluthochdruck gefährden laut Deutscher Gesellschaft für Geriatrie (DGG) ältere Patienten – zumindest bei unkritischer Anwendung.

Nach den neuen Empfehlungen US-amerikanischer Fachgesellschaften [1] gilt nur noch ein Blutdruck von weniger als 120/80 mm Hg als normal; bereits ab 130/80 mm Hg liegt ein Bluthochdruck vor. Die Empfehlungen stützen sich auf aktuelle Untersuchungen, die auch für ältere Patienten den Nutzen einer intensiveren Blutdrucksenkung belegen konnten. Die Studien wurden sorgfältig durchgeführt und die Ergebnisse sind nachvollziehbar. Das Problem taucht den deutschen Experten der DGG zufolge bei der Übertragung der Studienergebnisse auf ältere Patienten im Praxisalltag auf. Sie nennen im Wesentlichen zwei Aspekte:

1. Die automatische, unbeobachtete Blutdruckselbstmessung, die in der wesentlichen Studie eingesetzt wurde, führt zu Blutdruckwerten, die etwa 15/8 mm Hg niedriger liegen als Messungen durch medizinisches Personal.
2. In die Studie wurden nur sehr rüstige, zuhause lebende ältere Patienten aufgenommen. So fit wie die Patienten der Studie sind aber bei weitem nicht alle Personen im höheren Lebensalter, viele befinden sich in einem schlechteren Allgemeinzustand mit zahlreichen Begleiterkrankungen. Patienten in Alten- und Pflegeeinrichtungen wurden in die Studie gar nicht aufgenommen, daher können zu solchen Patienten keine Aussagen gemacht werden.

Aus anderen Untersuchungen ist laut DGG bekannt, dass bei vielfach erkrankten hochbetagten Patienten eine intensivere Blutdrucksenkung einige Probleme nach sich ziehen kann. Der niedrigere Blutdruck bedeutet eine größere Sturzgefahr und damit auch eine größere Gefahr, eine Fraktur zu erleiden. Außerdem geht ein niedriger Blutdruck bei diesen Patienten mit einer erhöhten Sterblichkeit einher [2]. So hatten Altenheimbewohner, deren Blutdruck mit zwei oder mehr blutdrucksenkenden Präparaten auf < 130 mm Hg gesenkt wurde, eine um 78 % höhere Sterblichkeit als Bewohner, die nur ein Mittel zur Blutdrucksenkung erhielten und deren Blutdruck bei > 130 mm Hg lag [3].

Fazit der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie: Sie „erkennt den Nutzen an, den die neuen Grenzwerte des Bluthochdrucks für viele, gerade jüngere Patienten haben können. Gemeinsam mit vielen Kollegen anderer Disziplinen, die mit der Behandlung älterer Patienten befasst sind, warnt sie ausdrücklich vor der Übertragung dieser Empfehlungen auf ältere Patienten. Nur diejenigen Patienten, die in den zugrundeliegenden Studien beschrieben werden, und deren Blutdruck auf die beschriebene Weise gemessen wurde, profitieren von einer intensiveren Blutdruckbehandlung. Bei allen anderen älteren Patienten ist zu befürchten, dass der Schaden einer intensiven Blutdrucksenkung unter Umständen den erwarteten Nutzen übersteigt. Und diese Patienten bilden einen großen Anteil der älteren Bevölkerung!“

Literatur:
1. Whelton PK et al. (2017) ACC/ AHA/AAPA/ABC/ACPM/AGS/APhA/ASH/ASPC/NMA/PCNA guideline for the prevention, detection, evaluation, and management of high blood pressure in adults: a report of the American College of Cardiology/American Heart Association Task Force on Clinical Practice Guidelines. Hypertension [epub ahead of print; doi: 10.1161/HYP.0000000000000065]
2. Benetos A et al (2016) An expert opinion from the European Society of Hypertension-European Union Geriatric Medicine Society Working Group on the Management of Hypertension in Very Old, Frail Subjects. Hypertension 67: 820–825
3. Benetos A et al. (2015) Treatment with multiple blood pressure medications, achieved blood pressure, and mortality in older nursing home residents THE PARTAGE STUDY. JMA Intern Med 175: 989–995

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG), Pressemeldung vom 15.12.2017



Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 3/2018 auf Seite M125.

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