DGEM fordert Ernährungsscreening: Stationäre COVID-19-PatientInnen oft mangelernährt

Einer der bekanntesten Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von COVID-19 ist starkes Übergewicht. Aber auch unter- oder mangelernährte Menschen sind von Infektionserkrankungen oft besonders stark betroffen. Werden sie krank, fehlt es häufig an körpereigenen Reserven.

Welchen Einfluss der Ernährungszustand von COVID-19-Patientinnen und -Patienten auf den Krankheitsverlauf hat und wie häufig Mangelernährung in dieser PatientInnengruppe überhaupt vorkommt, ist bislang noch weitgehend unbekannt. Französische Forschende legen nun Daten aus der ersten Welle der Pandemie vor, die zeigen, dass ein hoher Anteil der stationär versorgten COVID-19-PatientInnen Anzeichen für eine Mangelernährung aufweist.

Mangelernährung bedeutet nicht immer, dass die Betroffenen zu wenig Nahrung aufnehmen, auch krankheitsbedingte Störungen der Verdauung, Resorption und Verwertung von Nährstoffen oder ein erhöhter Energiebedarf können zu einer unzureichenden Versorgung führen. Entsprechend können sowohl untergewichtige als auch normal- oder sogar übergewichtige PatientInnen mangelernährt sein. Als Kriterien einer Mangelernährung werden daher neben dem BMI auch ein unbeabsichtigter Gewichtsverlust, eine geringe Muskelmasse oder Mangelerscheinungen gewertet.

Nach diesen Kriterien stuften die französischen MedizinerInnen 42,1 % der auf einer Normalstation aufgenommenen COVID-19-PatientInnen als mangelernährt ein – 18,4 % sogar als gravierend. Von denjenigen PatientInnen, die zuvor auf der Intensivstation gepflegt worden waren, waren sogar zwei Drittel mangelernährt. Ob der schlechte Ernährungszustand von der COVID-19-Erkrankung herrührte oder bereits zuvor bestanden hatte, konnte im Rahmen der Studie nicht unterschieden werden [1]. „Es ist jedoch anzunehmen, dass er durch die Krankheit zumindest verstärkt wurde“, sagt Professor Dr. med. Matthias Pirlich, 2. Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM). Denn COVID-19 bringe viele Symptome mit sich, die das Essen erschweren – wie etwa Geruchs- und Geschmacksverlust, starke Abgeschlagenheit und Übelkeit. Gleichzeitig sei der Energie- und Nährstoffverlust aufgrund von Durchfällen und hohem Fieber groß. Die ausgeprägte Entzündungsreaktion führe zu einem Abbau der Muskulatur.

Auch wenn die Bedeutung der beobachteten Mangelzustände für den weiteren Krankheitsverlauf noch unklar ist, werten die ExpertInnen der DGEM den hohen Anteil mangelernährter COVID-19-PatientInnen als deutliches Alarmsignal. Denn aus Studien zu zahlreichen anderen Erkrankungen ist bekannt, dass ein guter Ernährungszustand einen wertvollen Beitrag zur Gesundung leisten kann. Die Fachgesellschaft hält es daher für dringend geboten, COVID-19-PatientInnen bereits bei der Aufnahme in die Klinik auf ihren Ernährungszustand hin zu untersuchen und sie bei Bedarf während des stationären Aufenthaltes ernährungsmedizinisch zu betreuen.

Literatur:
1. Bedock D et al.: Prevalence and severity of malnutrition in hospitalized COVID-19 patients. Clin Nutr ESPEN 2020; doi: 10.1016/j.clnesp.2020.09.018.

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Ernährungsmedizin e. V. (DGEM), Pressemeldung vom 23.03.2021



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2021 auf Seite M188.

Das könnte Sie interessieren
Ernährungsunsicherheit während der COVID-19-Pandemie unter Tafel-Kund*innen weiter
Ernährungsunsicherheit während der COVID-19-Pandemie unter Tafel-Kund* innen weiter
Änderungen bei Kennzeichnung und Zusammensetzung für Honig & Co. weiter
Nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung – Herausforderungen und Erfolgsfaktoren weiter
Immer häufiger Cannabinoide in Süßwaren weiter
Ernährungspyramide aktualisiert weiter