Essstörungen: Wie Anorexie das Körpergefühl verändert

Die gestörte Wahrnehmung des eigenen Körpers ist eines der kennzeichnenden Symptome von Magersucht (Anorexia nervosa). Bekannt ist, dass PatientInnen die Abmessungen ihres Körpers überschätzen, was sich auf den bewussten Teil der Körperwahrnehmung, das Körperbild, bezieht.

Daneben gibt es das Körperschema, das unbewusste Körpergefühl, welches uns z. B. sagt, wo wir uns im Raum befinden. Es ist normalerweise flexibel und passt sich an aktuelle Maße an. Deswegen stößt man normalerweise auch dann nirgendwo an, wenn man einen Hut oder einen Rucksack trägt.

Eine Studie des Teams der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LWL-Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum (RUB) konnte nun zeigen, dass bei Menschen mit Anorexie neben dem bewussten Körperbild auch das Körperschema gestört ist. Es könnte auf dem Stand vor dem Beginn der Erkrankung stehen geblieben sein. Um diesem unbewussten Teil der Körperwahrnehmung auf die Spur zu kommen, ließen sie in einem Experiment 23 Personen mit Anorexie und 23 gesunde Vergleichspersonen durch Türrahmen mit unterschiedlicher Breite gehen. Dabei war die Öffnung jeweils an die Schulterbreite der Teilnehmenden angepasst und variierte zwischen dem 0,9-fachen und dem 1,45-fachen dieser Breite. Die WissenschaftlerInnen beobachteten, ab welcher Türbreite sich die Teilnehmenden seitlich wegdrehten, bevor sie die Tür passierten. Es zeigte sich, dass PatientInnen ihre Schultern schon bei deutlich breiteren Türen zur Seite wegdrehen als gesunde Kontrollpersonen. Folglich schätzen sie unbewusst ihre Ausmaße größer ein als sie wirklich sind. Die Tendenz zum frühen Wegdrehen ging auch einher mit einer negativen Einschätzung des eigenen Körpers, die die Forscherinnen und Forscher in verschiedenen Fragebögen erhoben.

Um die gestörte unbewusste Körperwahrnehmung positiv zu beeinflussen und das eventuell veraltete Körperschema wieder den aktuellen körperlichen Ausmaßen anzupassen, empfiehlt das Forschungsteam neben der kognitiven Verhaltenstherapie auch den Einsatz virtueller Realität. Damit ist es möglich, virtuell für eine gewisse Zeit in den Körper einer oder eines anderen zu schlüpfen und damit die Repräsentation des Körpers zu beeinflussen.

Quelle: Ruhr-Universität Bochum, Pressemeldung vom 12.01.2021



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2021 auf Seite M186.

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