Muttermilchersatzprodukte: Angaben auf Säuglingsnahrung kaum wissenschaftlich belegt

Gesundheits- und nährwertbezogene Angaben auf Säuglingsnahrung (Muttermilchersatz) sind umstritten, da sie die vermeintlichen Vorteile gegenüber dem Stillen hervorheben. Es gibt jedoch kaum Daten über die Häufigkeit der Angaben und ihre wissenschaftliche Untermauerung.

Baby mit Milchflasche in den Händen. © Colourbox
Ein internationales Forschungsteam fordert strengere Vorschriften für Ersatzprodukte von Muttermilch. © Colourbox

In einer aktuellen Studie untersuchte ein internationales Team von Forscher*innen aus 15 Ländern, an der sich Forschende der Universitätsmedizin Leipzig beteiligt haben, im Zeitraum von 2020 bis 2022 die Gesundheitsversprechen auf den Verpackungen von Produkten für Muttermilchersatz und den begleitenden Internetseiten. Die Auswertung der Daten zeigte, dass auf einem Großteil der gefundenen Produkte (608 von 757) mindestens eine gesundheits- oder nährwertbezogene Angabe gemacht wird. Es gab eine große Bandbreite an unterschiedlichen Angaben für ähnliche Inhaltsstoffe. Besonders verbreitet war der Hinweis „unterstützt die Entwicklung des Gehirns und/ oder der Augen und/oder des Nervensystems“ (53 %), gefolgt von „stärkt ein gesundes Immunsystem“ (39 %) und „unterstützt Wachstum und Entwicklung“ (37 %) und „leicht verdaulich“ (30 %). Die am häufigsten genannten Inhaltsstoffe waren mehrfach ungesättigte Fettsäuren (46 %), Präbiotika, Probiotika und Synbiotika (37 %) und hydrolysiertes Eiweiß (20 %).
Bei nur 26 % der Muttermilchersatzprodukte (161 von 608) wurden die Gesundheitsversprechen wissenschaftlich untermauert. Falls ein Nachweis vorhanden war, handelte es sich in 14 % der Fälle um registrierte klinische Studien. 84 % dieser Studien wurden von Autor*innen durchgeführt, die entweder von der Nahrungsmittelindustrie finanziert wurden oder in direkter Verbindung mit der Industrie standen. Für 74 % der Produkte, die spezifische gesundheitsbezogene Angaben machten, gab es keine wissenschaftliche Referenz.
„Unsere Ergebnisse zeigen die weit verbreiteten aber schlecht wissenschaftlich belegten gesundheitsbezogenen Marketingversprechen auf Ersatzprodukten für Muttermilch. Eine stärkere Regulierung zusätzlich zum bereits bestehenden Kodex der Weltgesundheitsorganisation zur Vermarktung solcher Produkte, begleitet von einer konsequenten Ahndung der Abweichung von diesem Kodex erscheint notwendig“, sagt Jon Genuneit, Mitautor der Studie und Professor an der Universität Leipzig.

Quelle: Universität Leipzig, Pressemeldung vom 24.02.2023



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 6/2023 auf Seite M337.

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