Verbraucherpolitik: Diskussion um Regulierung der an Kinder gerichteten Lebensmittelwerbung

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) hatte im Februar 2023 Eckdaten für die geplante Regulierung von an Kinder adressierte Lebensmittelwerbung vorgestellt. Der Entwurf hat zahlreiche Debatten ausgelöst.

Kernstück des geplanten Gesetzes ist die Regelung, dass nur noch solche Lebensmittel gegenüber Kindern beworben werden dürfen, die die Kriterien des Nährwertprofilmodells der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erfüllen. Dieses Modell wurde in den letzten Wochen kritisiert – es impliziere ein „Totalwerbeverbot für Lebensmittel“, sei „weltfremd“ und „in der Praxis nicht umsetzbar“. Foodwatch konterte gegen die Kritik der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) und des Zentralverbands der Werbewirtschaft (ZAW), dass lediglich die Werbung für vereinzelte Lebensmittel wie Eiscreme und gesüßte Getränke stark eingeschränkt sei. In anderen Produktkategorien wie Jogurt, Käse oder Müsli gebe es eine Vielzahl an Produkten, die weiterhin uneingeschränkt beworben werden dürften. Das WHO-Nährwertprofilmodell wurde im Rahmen seiner Entwicklung in verschiedenen europäischen Ländern pilotiert, nicht aber in Deutschland. In einem erst kürzlich veröffentlichten Preprint von Nicole Holliday et al. (2023) wurden die praktische Anwendbarkeit und die Implikationen einer Anwendung des WHO-Nährwertprofilmodells in Deutschland untersucht [1]. Die praktische Anwendbarkeit des WHO-Modells wurde im Rahmen der Studie als gut befunden – nur an einzelnen Punkten wären im deutschen Kontext Anpassungen nötig. So gibt es bspw. in Deutschland – wie in der restlichen Europäischen Union auch – keine Kennzeichnungspflicht für trans-Fettsäuren, weshalb die Einhaltung des entsprechenden Grenzwerts des WHO-Modells nicht überprüft werden konnte. Ebenso könnte es aus Gründen der Konsistenz sinnvoll sein, nicht nur, wie vom BMEL angekündigt, Milch, sondern auch Jogurt und pflanzliche Milchalternativen vom Fett-Grenzwert auszunehmen. Das WHO-Modell sieht für alle drei Produktkategorien eine Obergrenze von 3 g Fett pro 100 g Produkt vor. Im Schnitt halten etwa 40 % der Lebensmittel die vom Bundesernährungsministerium vorgeschlagenen Grenzwerte für Energiegehalt, Zucker, Fett und Salz ein. Folglich bedeutet dies aber auch, dass in den meisten Lebensmittelkategorien eine beträchtliche Zahl von Produkten weiterhin uneingeschränkt beworben werden kann. Von einem „Totalwerbeverbot“ kann demnach keine Rede sein, der Gesetzesentwurf stellt einen wichtigen Baustein für den Schutz der Kinder dar.

Literatur:
1. Holliday N, Leibinger A, Huizinga O, et al.: Application of the WHO Nutrient Profile Model to products on the German market: Implications for proposed new food marketing legislation in Germany. DOI: doi.org/10.1101 /2023.04.24.23288785.

Quellen:
- Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie: Warum ein Werbeverbot allen schadet. Pressemeldung vom 23.03.2023.
- Foodwatch e. V., Pressemeldung vom 04.05.2023 - Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft e. V., Pressemeldung vom 27.02.2023



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 6/2023 auf Seite M333.

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