Ernährungsmedizin: Rolle des Darms bei Diagnose und Therapie von Erkrankungen

Die Bedeutung des Darms rückt rund um das Thema Gesundheitsvorsorge immer stärker in den Fokus. Prof. Dr. Karl-Herbert Schäfer forscht am Campus Zweibrücken zur Rolle des Darms bei neurodegenerativen Krankheiten wie Alzheimer oder Parkinson und dessen Bedeutung v. a. für die Frühdiagnose dieser Krankheiten. Zusammen mit KollegInnen der Universitäten Heidelberg und Bonn sowie der TU München analysierte er wissenschaftliche Studien nach Belegen, welche die Rolle des Darms für die Entstehung und Behandlung diverser Krankheiten nachweisen.

Die WissenschaftlerInnen plädieren für eine ganzheitliche Herangehensweise. Demnach wäre der Darm nicht nur prädestiniert z. B. für die Frühdiagnose neurodegenerativer Erkrankungen, sondern auch für deren Bekämpfung. Viele dieser Krankheiten werden nach heutigem Stand oft erst diagnostiziert, wenn eine Heilung ausgeschlossen ist und die Behandlung Symptome nur mildern oder den Krankheitsverlauf hinauszögern kann. Vor allem aber könnten essenzielle Hinweise für die Vorbeugung dieser Erkrankungen gegeben werden.

Das Nervensystem des Darms, das enterische Nervensystem (ENS), macht den größten Teil des peripheren Nervensystems aus und ähnelt in seinen Komponenten und Funktionen dem zentralen Nervensystem (ZNS). Die zentrale Rolle des Darmnervensystems ENS ist bei angeborenen, den Darm betreffenden, nervenbedingten Störungen gut bekannt. Über die Rolle des ENS bei systemischen Erkrankungen, die sich auf ein gesamtes Organsystem oder den gesamten Körper auswirken, weiß man weniger.

Hinweise auf ein gestörtes ENS gibt es bei neurodegenerativen Erkrankungen wie der amyotrophen Lateralsklerose, der Alzheimer-Krankheit und der Multiplen Sklerose bis hin zur Parkinson-Krankheit sowie bei neurologischen Entwicklungsstörungen wie dem Autismus. In einer neuen Übersichtsarbeit fassen die Forschenden das aktuelle Wissen über die Rolle des ENS bei gastrointestinalen und systemischen Erkrankungen zusammen und beleuchten seine Interaktion mit verschiedenen Schlüsselakteuren, die an der Gestaltung der Krankheitsmerkmale beteiligt sind.

Das ENS moduliert und reguliert die Darmbarrierefunktion und wirkt auf das Gleichgewicht der den Darm betreffenden Körperfunktionen. Ein „undichter Darm“ stellt das Tor für das Eindringen von Bakterien und Toxinen dar, die nachgeschaltete Prozesse auslösen können. Daten deuten darauf hin, dass Veränderungen im Darmmikrobiom im Zusammenspiel mit dem individuellen genetischen Hintergrund das ENS, das ZNS und das Immunsystem modifizieren, die Barrierefunktion beeinträchtigen und zu verschiedenen Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom, entzündlichen Darmerkrankungen oder Neurodegeneration beitragen können. Zu Krankheiten, die mit Motilitätsstörungen des Darms einhergehen, wie das Reizdarmsyndrom fanden die AutorInnen eine Reihe von Hinweisen, die auf Veränderungen in der Struktur und Funktion des Nervensystems im Darm dieser PatientInnen hindeuten, die Veränderungen in der neuronalen Plastizität und der Signalweiterleitung im Darm und vom Darm zum Gehirn erklären könnten.

So sei die Berücksichtigung von ENS-bedingten Magen-Darm-Symptomen für die Früherkennung verschiedener Krankheiten, z. B. der Parkinson-Krankheit, von Bedeutung. Eine frühzeitige gezielte Intervention könnte die Symptome verbessern und die Krankheit möglicherweise verhindern. Einige Erkenntnisse geben auch Hinweise auf die Bedeutung des ENS bei Krebs oder metabolischen Erkrankungen wie dem Diabetes mellitus.

Quelle: Hochschule Kaiserslautern, Pressemeldung vom 03.02.2021



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 7/2021 auf Seite M376.

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