Gehirnforschung: Körpereigene Phospholipide beeinflussen psychische Erkrankungen

Eine genetische Störung führt zur Erhöhung von bioaktiven Phospholipiden im Gehirn, was ein Ungleichgewicht zwischen Erregung und Hemmung in Gehirnschaltkreisen zur Folge hat und psychische Erkrankungen begünstigen kann. Bei der Erregung bewirken neuronale Schaltkreise, dass Informationen weitergegeben werden und weitere Neuronen aktiviert werden. Die Behandlung mit einem Hemmstoff, der die Aktivierung der Phospholipide im Gehirn verhindert und so die Informationsweitergabe unterbricht, kann diesen Mechanismus jedoch wieder ins Gleichgewicht bringen. Das zeigt eine aktuelle Studie zum Zusammenhang zwischen synaptischen Lipidsignalen im Gehirn und psychischen Störungen [1].

Die Teams um Prof. Dr. med. Johannes Vogt der Universität zu Köln, Prof. Dr. med. Dr. phil. Robert Nitsch der Universität Münster sowie Partner*innen an weiteren Universitäten untersuchten die Rollen des Enzyms Autotaxin und dessen Gegenspielers, das Protein PRG-1, in der Regulierung des Gleichgewichts zwischen Erregung und Hemmung in den Gehirnen von Menschen und Mäusen und deren Auswirkung auf die Motorik.
Die Arbeitsgruppen in Köln und Münster haben bereits in Voruntersuchungen gezeigt, dass körpereigene Phospholipide im Gehirn durch das Enzym Autotaxin aktiviert werden und dort am zentralen Checkpoint der Signalübertragung, der kortikalen Synapse, die Nervenzellaktivität stimulieren. Dadurch verändern sie die Informationsverarbeitung in Netzwerken des Gehirns.
Nun haben die Forschenden die funktionellen Folgen einer Veränderung im Signalgleichgewicht bei 25 Personen analysiert, welche durch eine genetische Störung eines Gegenspielers von Autotaxin, der aktivierte Fette an der Synapse reduziert, hervorgerufen wurde. Unter Verwendung verschiedener Methoden zur Erfassung der Hirnströme, der Hirnaktivität und psychologischer Tests fanden die Forschenden spezifische Veränderungen, die auch bei Patient*innen mit erhöhten Gehalten an bioaktiven Phospholipiden auftreten – sog. intermediäre Phänotypen psychischer Erkrankungen. Hierbei können z. B. vergleichbare Muster der Gehirnaktivierung sowohl bei Patient*innen als auch bei deren klinisch gesunden Angehörigen gemessen werden.
Zusätzliche Untersuchungen im Mausmodell ergaben, dass Tiere, die eine gleichartige genetische Störung aufwiesen, vergleichbare Symptome zeigten: erhöhte Ängstlichkeit, ein depressiver Phänotyp und eine geringere Stressresilienz. Die Synchronisation und der Informationstransfer zwischen Gehirnarealen war bei Menschen und Mäusen vergleichbar verändert. „Die Studie weist darauf hin, dass die Regulation von Erregung und Hemmung durch synaptische Lipidsignale eine entscheidende Rolle bei der Entstehung psychischer Störungen spielt“, sagt Prof. Vogt.

Literatur
1. Tüscher O, Muthuraman M, Horstmann JP, et al.: Altered cortical synaptic lipid signaling leads to intermediate phenotypes of mental disorders. Mol Psychiatry 2024.

Quelle: Universität zu Köln, Pressemeldung vom 06.06.2024



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 8/2024 auf Seite M428.

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