Essverhalten: Seit Beginn der Pandemie: Körpergewicht und Essstörungen zugenommen

WissenschaftlerInnen der Technischen Universität München (TUM) haben untersucht, ob sich Ernährungsverhalten und Körpergewicht von Erwachsenen nach mehr als zwei Jahren Pandemie verändert haben. Gemeinsam mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa hat das Else Kröner Fresenius Zentrum für Ernährungsmedizin (EKFZ) an der TUM nach einem systematischen Zufallsverfahren 1005 Personen zwischen 18 und 70 Jahren in Deutschland ausgewählt und repräsentativ befragt. Dabei lag der Fokus der Analyse auf der Psyche.

Das Ergebnis der repräsentativen Umfrage zeigt, dass rund 35 % der Befragten seit dem Beginn der Pandemie teilweise erheblich an Gewicht zugenommen haben – im Durchschnitt 6,5 kg. Von der Gewichtszunahme berichten v. a. Befragte mit einem höheren Ausgangsgewicht, mit weniger Bewegung als vor der Corona-Pandemie sowie diejenigen, die sich im vergangenen Jahr durch die Pandemie seelisch belastet gefühlt haben.
42 % der Befragten gaben an, sich im letzten Jahr etwas und 20 % sehr durch die Veränderungen im Zusammenhang mit der Corona-Situation seelisch belastet gefühlt zu haben. Das Essverhalten von Befragten, die sich durch die Corona-Situation belastet gefühlt haben, entwickelte sich aus gesundheitlicher Perspektive in eine unvorteilhafte Richtung. Ein knappes Drittel aller Befragten gibt an, mehr und häufiger zu essen. Dabei handelte es sich dann meist um Lebensmittel wie Süßwaren, süße Backwaren, Knabberartikel oder Fastfood. Diese ungünstige Speisenwahl war bei den Erwachsenen, die sich psychisch belastet fühlten, auffällig häufiger als bei den Personen ohne Stressbelastung. Hans Hauner, Professor für Ernährungsmedizin an der TUM und Leiter des EKFZ, rechnet damit, dass es durch die Gewichtszunahmen in den kommenden Jahren zu einem Anstieg gewichtsabhängiger und lebensstilbedingter Krankheiten kommen wird. Allerdings haben auch 15 % der Erwachsenen seit Beginn der Corona-Krise zum Teil deutlich abgenommen: im Durchschnitt 7,9 kg.
Der Erhebung zufolge ernährten sich auch 20 % der seelisch belasteten Befragten gesünder als vorher. Auffällig ist, dass ein hoher Anteil der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 29 Jahren (19 %) und der Teilnehmenden mit einem Body-Mass-Index von weniger als 20 (18 %) abgenommen haben. „Es gibt auch Studien, die deutlich zeigen, dass während der Pandemie Essstörungen zugenommen haben“, sagt Martina de Zwaan, Professorin an der Medizinischen Hochschule Hannover und Leiterin der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapie. Dies wird auf die geringere Möglichkeit, Sport zu treiben, den Verlust von haltgebenden Alltagsstrukturen, die soziale Isolation, eine Zunahme an depressiven Erkrankungen, aber auch auf einen möglicherweise vermehrten Konsum sozialer Medien und damit verbundene Konfrontation mit Schlankheitsidealen und Gewichtsstigmata zurückgeführt.
Aufgrund der unterschiedlichen Verhaltensmuster in der Corona-Pandemie raten beide ExpertInnen zu besserer Aufklärung und zu individuellen Lösungen durch Ernährungsberatung.

Quelle: Technische Universität München: Seelische Belastung und Essverhalten in der Pandemie. Pressemeldung vom 28.07.2022



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 9/2022 auf Seite M469.

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