Ernährungsmedizin: Vitamin D und Kalzium – eine Option in der Behandlung von Drehschwindelanfällen?
- 14.12.2020
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- Redaktion
Schwindel ist neben Kopfschmerzen ein sehr häufiges neurologisches Symptom, das etliche Ursachen haben kann. In Schwindel-Spezialsprechstunden wird am häufigsten (17,7 % der Fälle) BPPV diagnostiziert. Dabei kommt es plötzlich und attackenartig zum Auftreten von starkem Drehschwindel, der durch Kopf- und Körperbewegungen ausgelöst wird. In Ruhe klingt die Attacke relativ schnell ab, kann aber bei erneuter Bewegung sofort wieder ausgelöst werden.
Ursächlich sind „Ohrsteinchen“ (Otokonien), kleinste Kalkpartikel, die normalerweise fest im Gleichgewichtsorgan (Innenohr) verankert sind. Wenn sich ein solcher Partikel ablöst und in die Bogengänge gelangt, aktiviert er fälschlicherweise die Gleichgewichts-Sinneszellen, sodass im Gehirn eine Drehbewegung registriert wird, obwohl sich der Körper in Ruhe befindet. Zur Otokonien-Ablösung kann es z. B. durch Kopfprellung oder Innenohrerkrankungen kommen, in über 50 % der Fälle tritt ein BPPV jedoch ohne erkennbare Ursache auf.
Als gutartig (benigne) gilt der BPPV, weil er meist auch ohne Behandlung wieder abklingt – nach Tagen, Wochen, manchmal jedoch erst nach Monaten (in seltenen Fällen Jahren) und sehr wirksam zu behandeln ist. Er neigt allerdings häufig zu Rezidiven (50–56 % innerhalb von 10 Jahren, 80 % davon binnen des ersten Jahres). Die Behandlung erfolgt mittels sog. Befreiungsmanöver: Dabei bewegen MedizinerInnen den Kopf der PatientInnen in einer bestimmten Abfolge von Lagerungspositionen, wodurch die Steinchen den Weg aus dem Bogengang herausfinden.
Frühere Untersuchungen ergaben, dass BPPV-PatientInnen oft erniedrigte Vitamin-D-Spiegel und eine erniedrigte Knochendichte aufweisen – einem Kalziummangel entsprechend. In der koreanischen Multicenterstudie wurde prospektiv der Effekt einer Vitamin-D- und Kalzium- Supplementierung zur Prophylaxe des Wiederauftretens des BPPV untersucht. Nach erfolgreicher Behandlung mittels der Befreiungsmanöver wurden die PatientInnen zu gleichen Teilen randomisiert. Die PatientInnen in der Interventionsgruppe (n = 518) erhielten, wenn ihr Vitamin-D-Blutspiegel < 20 ng/mL erniedrigt war, oral ein Jahr lang täglich Vitamin D (800 I.U.) und Kalzium (1 000 mg). In der Kontrollgruppe (n = 532) wurden die PatientInnen ohne Vitamin- D-Gabe nachbeobachtet.
Im Ergebnis war die jährliche Rückfallrate in der Interventionsgruppe mit 37,8 % signifikant niedriger als in der Kontrollgruppe mit 46,7 % (0,83 gegenüber 1,1 Rezidive pro Personenjahr; Inzidenz RR 0,76; p < 0,001). Der Vitamin-D-Spiegel war bei den behandelten PatientInnen innerhalb von 2 Monaten von anfangs 13,3 ± 3,9 auf 24,4 ± 7,7 ng/mL angestiegen und lag auch nach einem Jahr noch in diesem Bereich (p < 0,001). Die errechnete Number Needed to Treat betrug 3,7; es mussten also weniger als 4 PatientInnen behandelt werden, um einen Rückfall zu verhindern.
Das manuelle Befreiungsmanöver ist bislang die einzige pathophysiologisch begründete und evidenzbasierte Therapieoption für BPPV. Prof. Dr. Christoph Helmchen, Leiter der Schwindelambulanz UKSH Lübeck, sieht daher in einer Vitamin- D-Substitution bei festgestellter zu niedriger Blutkonzentration von Vitamin D bei Betroffenen eine mögliche neue Therapieoption.
Literatur
1. Jeong SH et al.: Prevention of benign paroxysmal positional vertigo with vitamin D supplementation A randomized trial. Neurology 2020; 95: e1117–25.
Quelle: Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Pressemeldung vom 22.09.2020
Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 12/2020 auf Seite M698.