Leserbrief und Erratum zum Beitrag "Ernährungsgewohnheiten und Adipositas bei europäischen Kindern"

  • 15.01.2019
  • Print-News
  • Philip Prinz
  • Leonie H. Bogl
  • Antje Hebestreit

In dem Beitrag „Ernährungsgewohnheiten und Adipositas bei europäischen Kindern“ in ERNÄHRUNGS UMSCHAU Ausgabe 10/2018 haben Leonie H. Bogl und Kollegen neueste Ergebnisse aus der IDEFICS/I.Family-Kohorte präsentiert.

Im Abstract ist leider ein ungünstiger Fehler passiert, in dem die Definition von Gesamtzuckern mit der Definition von freien Zuckern verwechselt worden ist. Dies führt zu einer verzerrten Wahrnehmung der Zuckeraufnahme von Kindern in Deutschland […].

Es wird beschrieben, dass der Zuckerkonsum im Kindesalter in Deutschland die WHO-Empfehlung von weniger als 10 % um das Dreifache übersteigt. Die Autoren beziehen sich auf die Studie von Svensson et al., die zu dem Ergebnis kommt, dass Kinder in Deutschland über 30 % ihrer Gesamtenergie durch Gesamtzucker aufnehmen. Diese Definition von Gesamtzucker umfasst alle Mono- und Disaccharide, unabhängig davon, ob sie zu Lebensmitteln hinzugefügt wurden oder natürlich vorkommen [1]. Die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) bezieht sich aber auf freie Zucker. Diese umfassen alle Monosaccharide und Disaccharide, die vom Hersteller, Koch oder Verbraucher zu Mahlzeiten und Getränken hinzugefügt werden, sowie die Zucker, die von Natur aus bereits in Honig, Sirup, Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten enthalten sind [2]. Natürliche Zucker in Obst, Gemüse oder Milch sind in der WHO-Definition hingegen nicht enthalten, wohl aber in der Definition von Gesamtzucker. Der Vergleich dieser Definitionen ist so nicht korrekt und vermittelt ein falsches Bild.

Die Aufnahme freier Zucker liegt nach Erhebungen des Max Rubner- Instituts im Durchschnitt bei Männern bei 13,0 % und bei Frauen bei 13,9 % der Gesamtenergieaufnahme [3]. Laut Nationaler Verzehrsstudie II liegt die Aufnahme der Gesamtzucker bei Männern bei ungefähr 20 % und bei Frauen bei ungefähr 24 % der Energieaufnahme [4]. 



Dr. Philip Prinz
Wirtschaftliche Vereinigung Zucker
Abteilungsleiter Ernährungswissenschaften
prinz@zuckerverbaende.de 



Literatur

  1. Svensson A Larsson C, Eiben G et al. (2014) European children’s sugar intake on weekdays versus weekends: the IDEFICS study. Eur J Clin Nutr 68: 822–828 
  2. Fidler Mis N, Braegger C, Bronsky J et al. (2017) sugar in infants, children and adolescents: a position paper of the European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition Committee on Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 65: 681–696 
  3. Bagus T, Roser S, Watzl B (2016) Reformulierung von verarbeiteten Lebensmitteln - Bewertungen und Empfehlungen zur Reduktion des Zuckergehalts. www.mri.bund.de/fileadmin/MRI/Themen/Reformulierung/Reformulierung_Thema-Zucker.pdf  Zugriff 17.12.18 
  4. Max Rubner-Institut (2008) Nationale Verzehrstudie II – Ergebnisbericht, Teil 2. URL: www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf?__blob=publicationFile  Zugriff 17.12.18

 

 

Schlusswort der AutorInnen

Wir danken Herrn Dr. Prinz für seine Anmerkung zu unserem Artikel. Wie Herr Dr. Prinz richtig feststellt, haben wir die Gesamtzuckeraufnahme von Kindern der IDEFICS/I.Family-Kohorte mit der WHO-Empfehlung für freie Zucker verglichen. Der größte Unterschied der beiden Definitionen besteht darin, dass Gesamtzucker – im Gegensatz zu freiem Zucker – auch natürlich vorkommende Zucker (überwiegend in Obst und Milch) beinhaltet. Die natürlich vorkommenden Zucker werden jedoch bei der WHO-Obergrenze von 10 % der täglichen Energiezufuhr explizit ausgeschlossen, da es für ihre Zufuhr keine Hinweise auf nachteilige Gesundheitsauswirkungen gibt [1]. Da die Gesamtzuckeraufnahme in der Studie von Svensson et al. [2] die natürlich vorkommenden Zucker beinhaltet, ist ein direkter Vergleich mit der WHO-Empfehlung nicht möglich.

Derzeit bestehen keine gültigen Empfehlungen für die Gesamtzuckeraufnahme im Kindesalter. Auch die Empfehlungen zur Aufnahme freier Zucker sind nicht einheitlich. Die WHO empfiehlt, den Konsum von freien Zuckern auf weniger als 10 % der Energiezufuhr zu beschränken. Des Weiteren diskutiert die WHO eine Obergrenze von 5 % im Hinblick auf die Kariesprävention [1]. Die Empfehlungen der European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN) [3] und des britischen Scientific Advisory Committee on Nutrition (SACN) [4] liegen bei maximal 5 % der Energiezufuhr.

Die meisten Lebensmitteldatenbanken beinhalten keine Informationen zur Berechnung von freien Zuckern, was die Abschätzung der Aufnahme freier Zucker für europäische Kinder derzeit erschwert. Der Anteil freier Zucker an der Gesamtzuckeraufnahme kann jedoch mittels publizierter Daten geschätzt werden: Aus dem Dutch National Food Consumption Survey 2007–2010 ist bekannt, dass Kinder im Alter von 7–13 Jahren rund drei Viertel des Gesamtzuckers aus freien Zuckern aufnehmen [5]. Bei deutschen Kindern der IDEFICS-Studie lag der Anteil des Gesamtzuckers bei ca. 30 % der Energiezufuhr. Unter der vereinfachenden Annahme, dass sich die deutschen und niederländischen Ernährungsgewohnheiten weitgehend ähneln, lässt sich auf Basis dieser Daten für die deutschen IDEFICS- Kinder ein Anteil freier Zucker von ca. 22 % der Energiezufuhr abschätzen. Das entspricht ungefähr dem Doppelten der WHO-Empfehlung bzw. dem Vierfachen anderer europäischer Expertenkommissionen (ESPGHAN, SACN). Ein entsprechendes Erratum wurde beigefügt => S. unten. 



Im Namen der AutorInnen

Dr. Leonie-Helen Bogl
Dr. Antje Hebestreit



Literatur

  1. World Health Organization (2015) Guideline: sugars intake for adults and children. World Health Organization. www.who.int/iris/handle/10665/149782  Zugriff 26.11.18 
  2. Svensson A Larsson C, Eiben G et al. (2014) European children’s sugar intake on weekdays versus weekends: the IDEFICS study. Eur J Clin Nutr 68(7): 822–828 
  3. Fidler Mis N, Braegger C, Bronsky J et al. (2017) ESPGHAN Committee on Nutrition: sugar in infants, children and adolescents: a position paper of the European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition Committee on Nutrition. J Pediatr Gastroenterol Nutr 65: 681–696 
  4. Scientific Advisory Committee on Nutrition (2015) Carbohydrates and health. The Stationery Office, Norwich. URL: www.gov.uk/government/publications/sacn-carbohydrates-and-health-report  Zugriff 26.11.18 
  5. Sluik D, van Lee L, Engelen AI et al. (2016) Total, free, and added sugar consumption and adherence to guidelines: The Dutch National Food Consumption Survey 2007–2010. Nutrients 8: 70
Erratum

Im Beitrag „Ernährungsgewohnheiten und Adipositas bei europäischen Kindern“ in Ausgabe 10/2018 der ERNÄHRUNGS UMSCHAU ist die Aussage, der Zuckerkonsum im Kindesalter in Deutschland übersteige die WHO-Empfehlung um das Dreifache, nicht korrekt. In der Studie von Svensson et al. (2014) wurde die Gesamtzuckeraufnahme bei europäischen Kindern untersucht [Literatur im Beitrag], die WHO-Empfehlung bezieht sich jedoch nur auf freie Zucker. Über die Aufnahme freier Zucker von Kindern der IDEFICS/I.Family-Kohorte können wir derzeit keine Aussage treffen. Der korrigierte Abstract lautet entsprechend:

Die IDEFICS/I.Family-Studie (finanziert durch das 6. und 7. Europäische Forschungsrahmenprogramm) hat das Ernährungsverhalten von Kindern und Jugendlichen aus acht europäischen Ländern insbesondere im Hinblick auf Adipositas und ihre gesundheitlichen Folgen untersucht. In fast allen Ländern machte der Gesamtzuckerkonsum mehr als 20 % der Gesamtenergieaufnahme aus; in Deutschland lag der entsprechende Anteil sogar bei 30 %. Zusammenfassend belegen unsere Ergebnisse, dass eine Verbesserung der Ernährungsqualität, charakterisiert durch einen hohen Verzehr von Obst, Gemüse und Vollkornprodukten und einen geringen Verzehr von zuckerhaltigen und industriell verarbeiteten Lebensmitteln, der Entstehung von kindlichem Übergewicht entgegenwirken kann. Zum Beispiel war das Ernährungsmuster „Gemüse und Vollkorn“, das durch eine hohe Aufnahme von Gemüse, Obst und Vollkornbrot gekennzeichnet ist, mit einem um 36 % niedrigeren Risiko für Übergewicht und Adipositas assoziiert. Ferner konnten Ähnlichkeiten im Ernährungsverhalten von Familienmitgliedern beobachtet werden. Ebenso wurde ein Zusammenhang zwischen niedrigem Sozialstatus und ungünstigen Ernährungsmustern von Kindern beobachtet. Die Ergebnisse legen politische Maßnahmen nahe, um insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Familien darin zu unterstützen, sich gesünder zu ernähren und somit Übergewicht und Adipositas schon im Kindesalter vorzubeugen.



Diese Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 1/2019 auf den Seiten M6 bis M7.

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