Stellungnahme: Keine keimarme Ernährung mehr in Bayerns Kinderonkologien

Aufgrund fehlender Evidenz wurden in Bayern in allen kinderonkologischen Zentren am 01.10.2024 die Regeln zur keimarmen bzw. neutropenen Diät fallengelassen. Dies haben die involvierten Kliniken im Rahmen des Kinderonkologischen Netzwerks Bayern (KIONET) gemeinsam beschlossen.

Weiterhin nicht empfohlen sind Rohmilchprodukte, probiotische Milchprodukte (Actimel®, Activia ®, Yakult®, …) und Lebensmittel, die Wechselwirkungen mit Medikamenten verursachen (z. B. Grapefruit, Pomelo, Johanniskraut …) [1].
Die neutropene Diät ist seit den 1980er Jahren eine Ernährungsform, die in vielen pädiatrischen Onkologien standardmäßig verordnet wird [2]. Durch den Verzicht auf zahlreiche Lebensmittel soll das Risiko einer Lebensmittelinfektion der immunsupprimierten Patient*innen reduziert werden [3]. Die Evaluation der wissenschaftlichen Daten zur neutropenen Diät zeigt jedoch, dass sie keinen Vorteil, sondern eher Risiken für die Betroffenen mit sich bringt [4–7]. Die Lebensmitteleinschränkungen können eine Mangelernährung fördern, die Lebensqualität beeinflussen und das Darmmikrobiom aus dem Gleichgewicht bringen [8, 9]. Was nach wie vor sinnvoll ist, sind die Safe Food Handling Guidelines (clean, seperate, cook, chill) [1]. Eine ausführliche Information und Schulung der Patient*innen und Angehörigen zu Hygienemaßnahmen in der Küche und beim Verzehr von Nahrungsmitteln findet weiterhin durch qualifizierte Ernährungsfachkräfte statt.

Literatur

  1. Anforderungen an die Infektionsprävention bei der medizinischen Versorgung von immunsupprimierten Patienten. Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut. Bundesgesundheitsbl 2021; 64: 232–64.
  2. Carr SE, Halliday V: Investigating the use of the neutropenic diet: a survey of U.K. dietitians. J Hum Nutr Diet 2015; 28(5): 510–5.
  3. Braun LE, Chen H, Frangoul H: Significant inconsistency among pediatric oncologists in the use of the neutropenic diet. Pediatr Blood Cancer 2014; 61(10): 1806–10.
  4. Barnbrock A, Salmanton-García J, Lankes F, et al.: No impact of dietary restrictions on the risk for infection in pediatric patients with cancer: a monocenter analysis. JCO Oncol Pract 2024; 20(4): 503–8.
  5. Taggart C, Neumann N, Alonso PB, et al.: Comparing a neutropenic diet to a food safety-based diet in pediatric patients undergoing hematopoietic stem cell transplantation. Biol Blood Marrow Transplant 2019; 25(7): 1382–6.
  6. Moody KM, Baker RA, Santizo RO, et al.: A randomized trial of the effectiveness of the neutropenic diet versus food safety guidelines on infection rate in pediatric oncology patients. Pediatr Blood Cancer 2018; 65(1).
  7. Sonbol MB, Jain T, Firwana B, et al.: Neutropenic diets to prevent cancer infections: updated systematic review and meta-analysis. BMJ Support Palliat Care 2019;9(4): 425–33.
  8. Brown K, DeCoffe D, Molcan E, Gibson DL: Diet-induced dysbiosis of the intestinal microbiota and the effects on immunity and disease. Nutrients 2012; 4(8): 1095–19
  9. Chan YK, Estaki M, Gibson DL: Clinical consequences of diet- induced dysbiosis. Ann Nutr Metab 2013; 63 Suppl 2: 28–40.

Margraf C, Eberle-Pelloth W, Gröschel P, Holzmüller C, Tenius L, Schmid I

Carolin Margraf
München Klinik Schwabing
Kölner Platz 1
80804 München

Weitere Informationen zum Thema finden Sie im PRIO-Statement „Keimarme Ernährung bei der Hochdosistherapie: ein Risiko für PatientInnen“ von Schmidt L, Erickson NT, Reudelsterz C, et al. in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 3/2022.



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 1/2025 auf Seite M11.

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