Qualitätskriterien für Ernährungsjournalismus und -forschung: Interessenkonflikte: Projekt Follow the Grant

(umk) Ein Kriterium, das bei der Einordnung von Aussagen von ExpertInnen zu wissenschaftlichen Fragen helfen soll, ist die Angabe von Interessenkonflikten unmittelbar in Artikeln oder bei Vorträgen (-> Beitrag „Qualitätssicherung im Ernährungsjournalismus“ in dieser Rubrik).

In standardisierten Formularen oder sogar datenbankgestützt geben AutorInnen hier an, inwieweit sich durch Vortragstätigkeit für Firmen, erhaltene Forschungsförderung oder auch den Besitz von Aktienpaketen mögliche – auch unbewusste [1] – Interessenkonflikte ergeben.

Das vom Medieninnovationszentrum Babelsberg (MIZ) im Rahmen der Innovationsförderung für Medienprofis geförderte Projekt Follow the Grant [2] will eine Datenbank aufbauen, welche Angaben über Interessenkonflikte aus wissenschaftlichen Publikationen sammelt, systematisiert und auswertet. Die kostenfrei nutzbare Datenbank soll es nach Aussage der Projektbetreiber JournalistInnen erleichtern, über eine Suchmaske nach Namen von ForscherInnen oder auch GeldgeberInnen zu filtern und so die Hürden für Recherchen im Wissenschaftsjournalismus senken. Ein Web-Scraper extrahiert dafür COI-Statements aus wissenschaftlichen Publikationen und ermittelt die Beziehungen zwischen AutorInnen und Unternehmen. Eventuelle Widersprüche bei COI-Angaben sollen durch ein Red-Flag-Tool markiert werden.

Hinter dem Projekt stehen der freie Journalist Hristio Boytchev mit Fokus Investigativ- und Datenjournalismus und der freie Softwareentwickler Edgar Zanella Alvarenga. Der Diplom-Biologe Boytchev war von 2015 bis 2017 Reporter des gemeinnützigen Recherchezentrums „Correctiv“. Alvarenga hat sich bereits für mehrere Projekte gegen Korruption und für demokratische Partizipation engagiert.

Kommentar
Das Thema Interessenkonflikte beschäftigt uns in der ERNÄHRUNGS UMSCHAU regelmäßig [3, 4]. Klar ist: Nicht jeder angegebene (potenzielle) Interessenkonflikt bedeutet automatisch die Voreingenommenheit der betreffenden AutorInnen. Genauso wenig wie „keine Angabe“ bedeutet, dass eine Person völlig neutral ist. Ein wichtiger Interessenkonflikt wird praktisch nie angegeben, spielt aber häufig mit: die persönliche Eitelkeit bzw. das Streben nach Bekanntheit. Trotz all dieser Einschränkungen sind Initiativen wie Follow the Grant zu begrüßen. Sie fördern Transparenz und können zugleich wissenschaftliche AutorInnen dafür sensibilisieren, die eigene Beeinflussbarkeit regelmäßig zu überdenken.

Literatur:

  1. Maréchal ME, Thöni C: Hidden persuaders: do small gifts lubricate business negotiations? J Manag Sci 2019; 65(8): 3470–69.
  2. www.miz-babelsberg.de/foerderung/foerderprojektealumni/details/follow-the-grant.html  (Zugriff am 21.1.2021).
  3. Maid-Kohnert, U: Neue Vorschläge des International Commitee of Medical Journal Editors: Interessenkonflikte und wissenschaftliche Publikationen. Ernährungs Umschau 2020, 67(2): M70.
  4. Maid-Kohnert, U: Wohl wahr. Wohl wahr? Interessenkonflikte in der ernährungswissenschaftlichen Forschung. Ernährungs Umschau 2013; 60(6): M314-15.


Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 2/2021 auf Seite M65-M66.

Das könnte Sie interessieren
Medienumschau 12/2024 weiter
Gesundheitliche und soziale Folgen hängen vom Wohnort ab weiter
„Was isst Bayern?“ weiter
Anhand der Gene vorhersagen, ob eine Ernährungsumstellung helfen kann weiter
Neuer Test verbessert Diagnose von Allergien weiter
Pflanzenbasierte Ernährung – Mehr als nur ein Trend? weiter