Qualitätskriterien für Ernährungsjournalismus und -forschung: Qualitätssicherung im Ernährungsjournalismus

(umk) Ernährungsthemen „gehen immer“. Sie bringen Quoten, Klicks und LeserInnen. Die Seriosität und Neutralität der Berichterstattung ist dabei für Laien nicht leicht überprüfbar, v. a. wenn Artikel, Websites oder ganze Magazine nur mit dem Ziel konzipiert werden, ein für Werbekunden oder eine Interessengruppe passendes Umfeld zu gestalten.

Die Forschergruppe des „Medien- Doktors“ ( www.ernaehrungs-umschau.de/news/29-06-2020-nutricard-startet-medien-doktor-ernaehrung/) hat nun untersucht, inwieweit sich Qualitätskriterien, die für den Bereich Medizinjournalismus gelten, auch auf den Bereich Ernährungsjournalismus anwenden lassen. Hierfür wurden u. a. aktuelle ernährungsjournalistische Online-Artikel ausgewählt, die über Effekte eines Lebensmittels, einer Ernährungsform, einer Diät oder einer Substanz berichteten. Die untersuchten Beiträge basierten entweder auf einer Studie, hatten einen „nichtwissenschaftlichen Anlass“ (z. B. Saison eines Lebensmittels), fassten einen Vortrag zusammen oder beruhten allein auf den Aussagen einer/s BuchautorIn bzw. ErnährungsberaterIn und wurden für das Projekt von erfahrenen WissenschaftsjournalistInnen begutachtet und mit den Qualitätskriterien für Medizinjournalismus abgeglichen.

Die ForscherInnen stellen nach Auswertung vergleichbarer internationaler Initiativen einen Kriterienkatalog für die drei Themenfelder Umwelt, Gesundheit und Ernährung vor, der allgemeine journalistische, wissenschaftsjournalistische und im Besonderen medizinjournalistische Aspekte berücksichtigt. Ihr Fazit: Mit wenigen themenspezifischen Anpassungen lassen sich die medizinjournalistischen Vorgaben auch auf den Bereich Ernährungsjournalismus anwenden.

  • Zu den allgemeinen journalistischen Kriterien zählen Faktentreue, Themenauswahl und Verständlichkeit des Beitrags bei gleichzeitiger Attraktivität der Darstellung. Es sollte sich um eine journalistische Eigenleistung handeln (also keine abgeschriebene Pressemeldung).
  • Kriterien, die auch für andere Wissenschaftsgebiete gelten, sind korrekte Einordnung in einen Kontext (Relevanz!), Einschätzung des Themas durch möglichst mehrere ExpertInnen und nachvollziehbare Quellenangaben. Mögliche Interessenkonflikte sollten angesprochen werden/dokumentiert sein. Schließlich sollten die verfügbaren Evidenzgrade angegeben und erläutert werden.
  • Spezielle fach-/themenspezifische Kriterien sind der Bezug auf Alternativen (z. B. einer Ernährungsweise oder Therapie). Neben der Schilderung positiver Effekte sollte auf mögliche Nachteile/Nebenwirkungen eingegangen werden.

Kommentar
Viele Ernährungsfachkräfte starten als „SeiteneinsteigerInnen“ im journalistischen Bereich. Hier ist ein Konsens über Minimalkriterien für seriöses Schreiben sehr hilfreich.
Warum die AutorInnen des „Medien-Doktors“ jedoch u. a. das für den Medizinbereich definierte Kriterium „Kein Disease Mongering“ – also das Erfinden von Krankheitsbildern oder Übertreiben von Krankheitswirkungen – für den Ernährungsbereich ausklammern, erschließt sich mir nicht. Krankheiten sind nicht dem Sektor Medizin vorbehalten und Ernährung hat durchaus therapeutisches (aber auch krankheitsauslösendes) Potenzial. Mit den Kontroversen um Nicht-Zöliakie-Nicht-Weizenallergie-Weizensensitivität, Histaminunverträglichkeit, Low-FODMAP und Reizdarm-Syndrom fallen mir aus dem Stand Ernährungsthemen ein, bei denen Disease-Mongering zumindest ein Thema ist.

Quelle: Anhäuser M, Wormer H, Viciano A, Rögener W: Ein modulares Modell zur Qualitätssicherung im Medizin- und Ernährungsjournalismus. Bundesgesundheitsbl 2021; 64: 12–20.



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 2/2021 auf Seite M65.

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