Leserbrief: Jod in Milch und Eiern über Tierfutterjodierung – wichtige Jodquellen unserer Nahrung

Leserbrief zu: Gärtner R (2015) Jodstoffwechsel und Einflüsse auf Erkrankungen der Schilddrüse. Ernährungs Umschau 62: M694–M703

Unsere Lebensmittel sind mit Ausnahme von Seefisch und weiteren maritimen Produkten von Natur aus jod- und natriumarm. Durch die Kopplung beider Elemente im Jodsalz wird mit der Stillung des Salzhungers ebenfalls das lebenswichtige Jod zugeführt. Man kann dem Autor der vorliegenden Arbeit [1] also nur zustimmen, wenn er in Übereinstimmung mit den Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation [2] Jodsalz global als die primäre Jodquelle in den Fokus rückt.

Trotzdem bedarf der besonders medizinische Aspekte umfassende Artikel [1] zum Jod in Nahrung bzw. Tierfutter einer Ergänzung. Die Feststellung im ersten Teil des Fazits „Jod gehört zu den wenigen Spurenelementen, die auch mit einer ausgewogenen westlichen Ernährung allein nicht in ausreichender Menge zugeführt werden können“ würdigt nur unzureichend die Rolle von Milch/-erzeugnissen und Eiern als wichtige Jodlieferanten (der Verzehr von Seefisch und Meeresfrüchten fällt hierzulande nicht ausreichend ins Gewicht und Algen variieren sehr stark im Jodgehalt, mit der Gefahr des Exzesses, wie in [1] ausgeführt). Das Potenzial von Milch/-erzeugnissen für die Jodversorgung zeigen Länder wie Tschechien [3], Spanien [4], Großbritannien [5] oder Norwegen [6] mit Milchjodkonzentrationen von 200–300 μg/kg, aktuell in Tschechien sogar 300–400 μg/kg [7]. Dagegen enthält Milch in Deutschland lediglich 100 μg Jod/kg.

Erhebungen der vergangenen beiden Jahrzehnte zeigen in Anlieferungsmilch für Molkereien und Konsummilch Mittelwerte von 94–122 μg Jod/kg [8–13]. Milchjod wird fast ausschließlich durch Jodid repräsentiert [14], womit eine ähnliche Bioverfügbarkeit wie aus dem für die Speisesalzjodierung zugelassenen Kaliumjodid bzw. -jodat gegeben sein dürfte. Der Jodgehalt der Milch spiegelt die Höhe des Futterjodzusatzes wider (die von Natur aus jodarmen Futtermittel können vernachlässigt werden). Der Zusatz erfolgt nicht, wie im Beitrag [1] beschrieben, durch Jodsalz, sondern kontrolliert, weil per Gesetz reglementiert [15], über Kalziumjodat oder Natrium- und Kaliumjodid. Ein Jodzusatz von 1 mg/kg Futtertrockenmasse führt zu mindestens 200 μg Jod/kg Milch [6, 16, 17]. Unter dem Einfluss der Glukosinolate der Rapsfuttermittel als Jodantagonisten – Rapsextraktionsschrot ist nach Sojaextraktionsschrot global das wichtigste Eiweißfutter – werden bei diesem Jodzusatz jedoch nur 100 μg Jod/kg Milch erreicht [6, 18]. Für die in Tschechien [3], Großbritannien [5] und Norwegen [6] realisierten 200 μg Jod/kg Milch sind unter Rapsfütterung bzw. Glukosinolateinfluss 2 mg Jodzusatz/ kg Futtertrockenmasse erforderlich.

Im Vergleich zur Milch ist der Beitrag von Eiern/eierhaltigen Speisen durch die geringe mittlere Aufnahme von ~ 30 g pro Tag auch bei hohen Konzentrationen von 50–100 μg Jod pro 100 g verzehrbare Eimasse vergleichsweise gering [19]. Fleisch ist entgegen früheren Aussagen kein Jodträger. Mittels verfeinerter Analyseverfahren (ICP-MS) wurden sehr geringe Gehalte (1–2 μg/100 g) nachgewiesen [20, 21]. 

• Tabelle 1, vierte Spalte, (link zu Tab. 1 siehe unten) zeigt Eckdaten der derzeitigen Jodversorgung in Deutschland, die sich aus der mittleren Aufnahme der jodhaltigen Hauptlebensmittelgruppen (Spalte 2) multipliziert mit deren Jodkonzentrationen (Spalte 3) ergeben. Die Summe der Jodzufuhr von 142 μg Jod/Person/Tag entspricht der in einer Studie mit Erwachsenen ermittelten Harnjod-Ausscheidung von 113 μg Jod/Person/ Tag [22], zuzüglich 10 % Jod dieser Jodmenge in den Fäzes und im Schweiß. Jodsalz bleibt die wichtigste Säule der Jodzufuhr, selbst unter dem Aspekt, dass lediglich ein knappes Drittel des in der Lebensmittelverarbeitung verbrauchten Salzes jodiert ist (Privathaushalte fragen hingegen zu 80 % Jodsalz nach). Der Anteil der Jodzufuhr über Milch und Eier ist beträchtlich, könnte aber durch mehr Jod im Tierfutter gesteigert werden. Die Eckdaten in der vorletzten Spalte zeigen, dass eine Verdopplung der derzeitigen Futterjodierung für Kühe und Hennen auf 2 mg Jod/kg Futtertrockenmasse das Spurenelement in Milch und Eiern so anreichern würde, dass sich die Jodzufuhr (letzte Tabellenspalte) im Mittel auf etwa 200 μg/Kopf/Tag, also auf die von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfohlene Menge [23], erhöhen würde. Wie bereits erwähnt, erhalten Milchkühe in Tschechien, Großbritannien, Norwegen und zumindest Teilen Spaniens mehr Jod als in Deutschland. Jedoch scheint in diesen Ländern die Jodkonzentration des Jodsalzes bzw. sein Anteil am Salzverbrauch noch niedriger als in Deutschland zu sein.

Die Angaben in • Tabelle 1 sind Mittelwerte; dabei darf die immense Variabilität nicht vergessen werden. Beim Salzeinsatz für Backwaren und Fleischerzeugnisse bestimmt die Entscheidung des jeweiligen Produzenten für oder gegen Jodsalz, inwieweit der Käufer mit dem lebenswichtigen Spurenelement versorgt wird. In der Viehhaltung variierte nach eigenen Erhebungen in sechs Herden mit 350–1 000 Kühen der Jodgehalt des Milchviehfutters von 0,5–1,0 mg/kg Trockenmasse, Mittel: 0,8 mg/kg [25]. Das ist ein ähnlicher Bereich, wie er im Legehennenfutter aus drei Großbetrieben analysiert worden ist [29].

Als Fazit ist für unsere Jodversorgung das Jod aus Milch und Milcherzeugnissen dem des jodierten Speisesalzes ebenbürtig. Im Vergleich mit einigen europäischen Ländern und der Gesetzgebung [30] ist in Deutschland die Tierfutterjodierung vergleichsweise gering. Eine Verdopplung des Jodzusatzes für Milchkühe von derzeit im Mittel knapp 1 mg/kg auf 2 mg/kg Futtertrockenmasse würde die Jodversorgung signifikant verbessern.

Prof. Dr. Friedrich Schöne
Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL)
Referat Futtermittelund Produktprüfung
E-Mail: friedrich.schoene@tll.thueringen.de 

=> Die Literatur zu diesem Beitrag finden Sie online: www.ernaehrungs-umschau.de/service/literaturverzeichnisse  

Tabelle 1 finden Sie hier.



Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 03/16 auf den Seiten M138-M139.

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