Kommentar zur Nachhaltigkeitsstudie von Tom et al. (2015): Salat ist dreimal umweltschädlicher als Speck?

  • 15.04.2016
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  • Melanie Lukas
  • Michael Lettenmeier

Eine neue Studie der Carnegie Mellon University in Pittsburgh/USA verglich Energiebedarf, Wasserverbrauch und Treibhausgasemissionen zur Erzeugung von 1 000 kcal eines Lebensmittels [1] und setzte die Erkenntnisse mit den Empfehlungen des U.S. Department of Agriculture (USDA) zur gesunden Ernährung in Zusammenhang. Ihr Ergebnis: Der Ausstoß von Treibhausgasen pro Kilokalorie (kcal) kann bei Salatköpfen dreimal höher sein als bei Speck, denn als Bezugseinheit für die Berechnung wird die „kcal“ genutzt und nicht die Einheit „Gramm“.

Der Artikel assoziiert, dass Lebensmittel wie Obst, Gemüse und auch Fisch, die im Rahmen einer ausgewogenen Mischkost empfohlen werden, eine hohe Umweltwirkung haben – insbesondere, wenn diese nicht saisonal bzw. unter günstigen Produktionsbedingungen erzeugt wurden. Als Beispiel wird der Salatanbau im trockenen Kalifornien genannt, der einen hohen Wasser-Input erfordert. Diese Annahme ist durchaus legitim. Die Bezugseinheit „kcal“ beeinflusst das Ergebnis jedoch stark. Lebensmittel mit hoher Energiedichte und effizienter Produktion, wie Zucker und Fette, schneiden günstig ab, wenn man sie „pro kcal“ bewertet. Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass eine ausreichende Energieaufnahme für eine bedarfsgerechte, gesunderhaltende Ernährung nicht ausreicht.

Tom et al. stellen z. B. heraus, dass die Anwendung der USDA-Empfehlungen für einen erwachsenen US-Amerikaner momentan eine Zunahme des Verzehrs von Obst und von Gemüse von bis zu 85 % bedeuten würde und somit – insbesondere unter US-amerikanischen Produktionsverhältnissen – einen sehr hohen Anstieg der Umweltwirkung zur Folge hätte. Hierbei muss aber beachtet werden, dass die Empfehlung, höhere Mengen Gemüse und Obst zu essen, ebenfalls aus gewichtigen Gründen seine Berechtigung hat.

Untersuchungen von Meier et al. [2] zeigen zudem auf, dass sich diese Annahmen so nicht auf die Gegebenheiten in Deutschland übertragen lassen: Die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) weichen teilweise von denen der USDA ab und die Ernährungsstile in Deutschland würden sich bei einer Verschiebung hin zu den Empfehlungen nicht so stark ändern wie in den USA. Zudem unterscheiden sich die Anbaumethoden in Europa z. T. stark von jenen in trockenen US-Gebieten.

Mit ihrer Argumentation stoßen Tom et al. eine kontroverse, aber nicht unerhebliche Debatte an. Unabhängig von Details ist der Fokus auf kcal ein durchaus interessanter Aspekt in der Analyse der Umweltwirkung von Lebensmitteln und ihrem Konsum. Zudem wird die Festlegung von Zielwerten im Rahmen der Umweltdebatte, ähnlich wie bei der Festlegung der täglich empfehlenswerten Verzehrmengen (2 000 kcal) immer relevanter, wie Lukas et al. [3] anregen.

In der kritischen Betrachtung der Studie kann man zu dem Schluss kommen, dass auch die Umweltwirkungen pflanzlicher Erzeugnisse nicht zu unterschätzen sind, insbesondere wenn diese mit einem hohen Aufwand an Energie, Wasser und anderen Ressourcen erzeugt werden, z. B. außerhalb der Saison und in ungünstigen Regionen. Allerdings entspricht die Reduzierung der Ernährung in Berechnungen auf ausschließlich ausreichende Energiezufuhr zwar dem Klimaschutzgedanken, ist aber nicht angemessen im Hinblick auf eine gesunde Ernährung der Bevölkerung – beides Motive, die, wie diese Studie zeigt, zuweilen miteinander konkurrieren können.

Literatur:
1. Tom MS et al. (2015) Energy use, blue water footprint, and greenhouse gas emissions for current food consumption patterns and dietary recommendations in the US. Environ Syst Decis [DOI: 10.1007/s10669-015-9577-y]
2. Meier T et al. (2013) Environmental impacts of dietary recommendations and dietary styles: Germany as an example. Environ Sci Technol 47: 877–888
3. Lukas M et al. (2015) The nutritional footprint – integrated methodology using environmental and health indicators to indicate potential for absolute reduction of natural resource use in the field of food and nutrition. J Clean Prod [DOI: 10.1016/j.jcle pro.2015.02.070]

Dipl. oec. troph. M.Sc. Melanie Lukas
M.Sc. Michael Lettenmeier

Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie
E-Mail: melanie.lukas@wupperinst.org 

Interessenkonflikt
Melanie Lukas ist Projektleiterin am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie und arbeitet schwerpunktmäßig u. a. im Bereich Umwelt und Ernährung. Michael Lettenmeier ist Geschäftsführer von D-mat ltd. und freier Mitarbeiter am Wuppertal Institut. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist nachhaltiger Konsum und dessen Geschäftsoptionen für die Zukunft.



Anmerkung der Redaktion: (he) Diese Studie liefert wieder einen Beitrag zur „Strategie der Widersprüchlichkeit“ (=> siehe „Zu guter Letzt“ auf S. M252). Zum einen wird ein Ganzes (Salat) mit einem Teil eines Ganzen (Speck aus Fleisch) verglichen, zum anderen wurde mit Salat auch ein besonders ungünstiges Beispiel gewählt (hoher Wassergehalt). Die Vergleiche Salat/Fleisch (mit ca. 70 % Wassergehalt) oder Karotten (niedrigerer Wassergehalt)/Fleisch sähen schon anders aus. Man sollte somit nur Vergleichbares, also z. B. energieliefernde Lebensmittel oder sonstige Lebensmittel untereinander vergleichen, z. B. Schweinefleisch mit Raps oder Speck mit Rapsöl. Auch hier sollte der Rest der Produkte mitberechnet werden, wobei natürlich der „Rest Fleisch“ besser abschneidet als der „Rest Rapsschrot“, das bisher nur in der Tierernährung eingesetzt werden kann. Man sieht: Auch die ökonomische Seite sollte Berücksichtigung finden.



Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 04/16 auf Seite M195.

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