Forschung: Übergewichtig und gesund
- 15.04.2025
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Hierfür erstellten sie einen detaillierten Atlas mit Daten von gesunden und kranken übergewichtigen Menschen zu ihrem Fettgewebe und zur Genaktivität in den Zellen dieses Gewebes. „Unsere Ergebnisse eignen sich für die Suche nach zellulären Markern, die etwas über das Risiko für Stoffwechselerkrankungen aussagen“, erklärt Adhideb Ghosh, Oberassistent in der Gruppe von Prof. Christian Wolfrum der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich).
Für diese Studie nutzten Ghosh und seine Kolleg*innen die Leipzig Obesity Biobank, eine umfangreiche Sammlung von Biopsien fettleibiger Personen, die sich chirurgischen Eingriffen unterzogen und zugestimmt haben, dass ihnen Fettgewebeproben für Forschungszwecke entnommen werden. Die Gewebeproben stammten alle von stark übergewichtigen Menschen mit oder ohne Stoffwechselerkrankungen. Sie erlauben also einen Vergleich zwischen gesunden und kranken übergewichtigen Personen. In Proben von 70 Freiwilligen untersuchten die Forschenden an der ETH Zürich Zelle für Zelle, welche Gene darin wie aktiv sind. Dies machten sie beim Unterhaut- und auch beim Viszeralfettgewebe.
Wissenschaft und Medizin gehen davon aus, dass v. a. das tief in der Bauchhöhle liegende Viszeralfett, welches die inneren Organe umgibt, für Stoffwechselerkrankungen verantwortlich ist. Das direkt unter der Haut liegende Fett hingegen halten Expert*innen im Allgemeinen für weniger problematisch.
Für die Studie war es entscheidend, nicht alle Zellen des Fettgewebes in einen Topf zu werfen. Denn Fettgewebe besteht nicht nur aus Fettzellen, sondern auch aus anderen Zellen. Ein Großteil des Fettgewebes besteht aus Immunzellen, Zellen, die Blutgefäße bilden, sowie aus unreifen Vorläuferzellen der Fettzellen. Eine weitere Art von Zellen, sog. Mesothelzellen, kommen nur im Viszeralfettgewebe vor und grenzen dieses gegen außen hin ab.
Wie die Forschenden zeigen konnten, sind die Zellen im Viszeralfettgewebe von Menschen mit Stoffwechselerkrankungen funktionell stark verändert. In diesem Gewebe ist fast jeder Zelltyp von dieser Umorganisation betroffen. Die Genanalysen zeigten bspw., dass die Fettzellen von kranken Menschen nicht mehr so gut Fette verstoffwechseln können. Dafür produzierten sie vermehrt Immunbotenstoffe, welche im Viszeralfett von Menschen mit Übergewicht eine Immunreaktion auslösen können, was wiederum die Entstehung von Stoffwechselerkrankungen begünstigen kann.
Außerdem fanden die Forschenden deutliche Unterschiede in der Anzahl und der Funktion der Mesothelzellen. Gesunde übergewichtige Menschen haben in ihrem Viszeralfett anteilmäßig viel mehr Mesothelzellen, die bei ihnen funktionell flexibler sind. Sie können bei gesunden Personen in eine Art Stammzell-Modus wechseln und sich so in einen anderen Zelltyp verwandeln, z. B. in Fettzellen. Weiter fanden die Forschenden heraus, dass ein bestimmter Typ von Vorläuferzellen nur im Viszeralfett von Frauen vorhanden ist, was laut Isabel Reinisch, Postdoc in Wolfrums Gruppe, die Unterschiede in der Entstehung von Stoffwechselerkrankungen zwischen Männern und Frauen erklären könnte.
Der neue Atlas zur Genaktivität von übergewichtigen Menschen beschreibt die Zusammensetzung der Zelltypen im Fettgewebe und ihre Funktion. „Wir können aber nicht sagen, ob die Unterschiede der Grund dafür sind, dass jemand metabolisch gesund ist, oder ob umgekehrt Stoffwechselerkrankungen diese Unterschiede verursachen“, sagt Ghosh. Die Forschenden veröffentlichten alle Daten in einer öffentlich zugänglichen Web-App, damit andere Forschende damit arbeiten können.
Insbesondere lassen sich damit nun neue Marker finden, die eine Aussage über das Risiko erlauben, eine Stoffwechselkrankheit zu entwickeln. Diese könnten auch zur Verbesserung der Therapie von Stoffwechselerkrankungen beitragen.
Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich), Pressemeldung vom 05.02.2025
Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2025 auf Seite M208.