38. Würzburger Fortbildungsveranstaltung: Ernährungsmedizin und Diätetik
- 15.05.2018
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- Dr. Udo Maid-Kohnert
Verlässliche Größen der Veranstaltung unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Olaf ADAM, München, und Dr. Walter BURGHARDT, Würzburg, waren auch diesmal der Themenmix, die Aktualität und die Praxisrelevanz der Vorträge für die rund 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Eine begleitende Industrieausstellung bot in den Pausen Gelegenheit zur weiteren Information.
Säure-Basen-Haushalt und Niereninsuffizenz
Die ernährungstherapeutischen Möglichkeiten bei Niereninsuffizienz schilderte Prof. Roswitha SIENER, Bonn. Zur Prävention der metabolischen Azidose bei eingeschränkter Nierenfunktion belegen Studien die Relevanz der Ernährungsumstellung und den Einsatz bicarbonatreicher (ab 1,5 g/L) Mineralwässer, aber auch von Zitrussäften, noch vor der medikamentösen Therapie. Die Ernährungsumstellung sollte dabei bereits bei Patienten mit moderater Nierenfunktionseinschränkung erfolgen, um den Teufelskreis aus metabolischer Azidose und Nierenfunktionsverlust und weiteren Folgen wie Proteinverlust und Osteoporose zu unterbrechen. In Ihrem Vortrag ging Prof. SIENER auch auf die oft zu vereinfachte Darstellung des Säure-Basen-Haushaltes gerade im alternativmedizinischen Bereich ein.
=> Roswitha SIENER: Säure-Basen-Haushalt und Ernährung in ERNÄHRUNGS UMSCHAU Heft 10/2011.
LEKUP ersetzt Rationalisierungsschema
Seit geraumer Zeit erwartet wird die Umstellung des Rationalisierungsschemas auf den Leitfaden für Ernährungstherapie in Klinik und Praxis (LEKUP). Dass es hiermit wohl noch etwas dauern wird und welche Hintergründe bei der Zusammenstellung von Empfehlungen von Kostformen für die Gemeinschaftsverpflegung zu berücksichtigen sind, darauf ging Prof. Olaf ADAM, München, in seinem Vortrag ein. Neben ernährungsmedizinischen Erwägungen spielen auch die Umsetzbarkeit für die Anwender mit der Möglichkeit der Konkretisierung in Form eines individuellen Kostformkataloges der jeweiligen Einrichtung eine Rolle.
Ernährungs-Apps
Am Thema Ernährungs-Apps kommt man derzeit nicht vorbei. Umso wichtiger ist zu berücksichtigen, dass die meisten (kostenlosen) Gesundheits-Apps von oft unklaren Entwicklern und nicht etwa von Fachgesellschaften oder anderen bekannten Playern des Gesundheitssystems angeboten werden. Dr. Ursula KRAMER, Freiburg, stellte auf Basis der Bewertungsplattform HealthOn Qualitätskriterien von Gesundheits-Apps vor und ging besonders auf die Aspekte Anbietertransparenz und Datenschutz, Usability, die beiden (App-)Trendthemen Abnehmen und Trinken sowie die immer stärkere Verbreitung von Wearables in Form von Fitness-Armbändern und dergleichen ein.
Frei von …
Ein weiterer Trend im Gesundheitsbereich ist die große Palette der „frei-von“-Lebensmittel. Jacqueline KÖHLER, Würzburg, stellte hierzu Zahlen und Entwicklungen vor und ging besonders auf die Gruppe der Verbraucher ein, die sich – ohne medizinische Indikation – von diesen Produkten einen gesundheitlichen Nutzen versprechen. An Einzelbeispielen machte sie die besonderen Herausforderungen für die Ernährungsberatung deutlich, die sich aus der großen medialen und Marktpräsenz der „frei-von“-Lebensmittel ergeben.
Ernährung bei Krebs
Eine ebenso große Herausforderung für die Beratungs- und Aufklärungsgespräche stellen komplementäre und alternative Ernährungsweisen bei Krebs dar. Prof. Jutta HÜBNER, Jena, stellte der großen Bedeutung, die Ernährung in der Tat für onkologische Patienten hat, die problematischen Heilserwartungen (und -versprechungen) an/von speziellen Ernährungsweisen und sogenannten „Anti- Krebs-Diäten“ gegenüber. Diese werden oft via Social Media angepriesen. Durch sehr einseitige Kostformen kann sich aber die mit Krebserkrankungen oft einhergehende Mangelernährung verstärken. HÜBNER stellte klar: Durch die steigende Lebenserwartung und teilweise Heilbarkeit von Krebs steigt die Bedeutung langfristig gesunder Ernährung. Und: Gesunde Ernährung ist gesund für Erkrankte und Nicht-Erkrankte.
=> Lesen Sie zu diesem Thema auch: ERICKSON et al. Stellungnahme zu ketogenen und kohlenhydratarmen Diäten bei Menschen mit Krebs in ERNÄHRUNGS UMSCHAU Heft 9/2017.
Update glutenfreie Ernährung
Während für viele Anhänger der „frei-von“-Lebensmittel die Auslobung „glutenfrei“ eher das Label eines Lebensstils ist, bedeutet sie für von Zöliakie Betroffene eine unverzichtbare Informationen. Zumal Gluten aufgrund seiner technologischen Eigenschaften nicht nur in vielen Getreidearten vorkommt, sondern mittlerweile auch Fruchtzubereitungen, Milch- und Kartoffelerzeugnissen, aber auch Fleisch- und Wurstwaren und vielen anderen Produkten zugesetzt wird.
Ellen DUBA von der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft e. V. stellte die aktuelle Nomenklatur der Glutenunverträglichkeiten auf Basis der Sk2-Leitlinie vor und ging auf besondere Herausforderungen der Ernährung – etwa das Kontaminationsrisiko durch verschleppte Brotkrümel, Küchengeräte oder auf einem Kindergeburtstag – mögliche Diätfehler und die Auswirkungen der Lebensmittelinformations-Verordnung (LMIV) ein.
Hart am Eklat vorbei schrammte der Vortrag von Prof. Werner RICHTER, Pegnitz, der die gesundheitlichen Aspekte von Fetten und Ölen mit Stand 2018 zum Inhalt hatte. Zwar schilderte er in seinem mit viel Elan dargebotenen Vortrag durchaus interessante Zusammenhänge (für ein Update 2018 allerdings mit auffällig vielen, mehrere Jahre alten Studiendaten), doch standen etliche seiner Aussagen (nicht nur eine Rapsöl-Schelte) im deutlichen Widerspruch zum derzeitigen ernährungstherapeutischen Vorgehen. Widersprüche, die auch in der anschließenden Diskussion mit dem Publikum nicht wirklich geklärt werden konnten und gerade im Rahmen einer Fortbildung wohl eher für Verunsicherung sorgten.
Im letzten Vortrag der Veranstaltung ging Dr. Ann-Kathrin KOSCHKER, Würzburg, auf Möglichkeiten und Grenzen der konservativen Adipositastherapie in der klinischen Praxis ein. Ihr Fazit war allerdings ernüchternd: Die verschiedenen Ansätze von Formuladiäten über Bewegungsförderung und Verhaltenstherapie bis hin zu multimodalen Programmen wie M.O.B.I.L.I.S und DocWeight ermöglichen bei insgesamt hohem Aufwand nur eine dauerhafte Gewichtsreduktion von 5–10 % des Ausgangsgewichtes. Dies ist durchaus ein gesundheitlich und für die Lebensqualität der Menschen relevanter, wenn auch nicht ausreichender Nutzen, doch scheitern diese Programme langfristig meist bei stark adipösen Patienten, sodass hier dann doch eine adipositaschirurgische Maßnahme geprüft werden sollte.
Am 19. Mai findet der Welt-Zöliakietag 2018 in Ludwigshafen am Rhein statt.
Das Motto lautet „Alles – Aber bitte glutenfrei!“.
Weitere Informationen: www.dzg-online.de/welt-zoeliakie-tag-2018.985.0.html
Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 5/2018 auf den Seiten M241-M242.