Adipositas: Identifizierung einer bislang unbekannten Funktion des Fettgewebes

Wissenschaftler*innen an der Universität Augsburg und am Forschungszentrum Helmholtz München, Partner im Deutschen Zentrum für Diabetesforschung (DZD), konnten zeigen, dass Fettzellen winzige, als extrazelluläre Vesikel bezeichnete, Lipidmembranpartikel ins Blut abgeben, die die Ausschüttung von Insulin stimulieren können. Diese Beobachtung kann helfen, frühe Prozesse in der Entstehung des Diabetes mellitus Typ 2 besser verstehen zu können.

Die Zellen des Fettgewebes sind hocheffiziente Energiespeicher, die überschüssige Nahrungsenergie in Fett umwandeln. Körperfett ist nicht generell von Nachteil, sondern hat auch wichtige Funktionen. Als endokrines, d. h. Hormon produzierendes Organ ist Fettgewebe bspw. an der Regulation vieler Körperprozesse beteiligt. Die Forscher*innen haben nun eine weitere Funktion des Fettgewebes identifiziert: Fettzellen geben nicht nur Hormone ins Blut ab, sondern auch sog. extrazelluläre Vesikel.
Laut Konxhe Kulaj, Doktorandin und Erstautorin der Studie [1], sind extrazelluläre Vesikel kleine membranumhüllte Partikel, die aus allen Körperzellen freigesetzt werden und eine Art Momentaufnahme des zellulären Geschehens durch den Körper tragen. Sie transportieren Proteine, Lipide und Nukleinsäuren zu einem Zielgewebe und setzen es dort frei. In der neuen Zelle angekommen, können sie deren Funktion verändern. Extrazelluläre Vesikel aus den Fettzellen gelangen so gezielt zu den Betazellen der Bauchspeicheldrüse, werden dort aufgenommen und steigern dort die Ausschüttung des Hormons Insulin.
In einer Reihe von Versuchen konnten die Wissenschaftler* innen nachweisen, dass extrazelluläre Vesikel aus gesundem und adipösem Fettgewebe eine sehr unterschiedliche Zusammensetzung an Botenstoffen mit sich führen und dadurch die Funktion von Betazellen der Bauchspeicheldrüse verschiedenartig beeinflussten. Stammten die extrazellulären Vesikel aus gesundem Fettgewebe, wie es bei Normalgewicht vorliegt, wurde die Insulinausschüttung nur geringfügig verändert. Extrazelluläre Vesikel aus adipösem Fettgewebe übertrugen dagegen spezifisch Proteine und Nukleinsäuren auf die Bauchspeicheldrüse, die dort die Freisetzung von Insulin stark erhöhten. In Folge sanken die Blutglukosespiegel.
Bei Übergewicht und Adipositas reagieren menschliche Körperzellen z. B. im Muskel oder Fettgewebe weniger empfindlich auf Insulin (Insulinresistenz). In diesem sehr frühen Stadium des Diabetes mellitus Typ 2 muss die Bauchspeicheldrüse, z. B. nach einer Mahlzeit, daher mehr Insulin ausschütten, um die Blutglukosespiegel im Normalbereich zu halten. Vielen übergewichtigen und adipösen Menschen gelingt dies über Jahrzehnte, die Krankheit bricht nie aus. Die extrazellulären Vesikel aus den Fettzellen scheinen in diesem Prozess eine wichtige Rolle zu spielen.
In weiteren Studien sollen die Vesikel gezielt beladen werden, um sie für therapeutische Zwecke nutzen zu können.

Literatur
1. Kulaj K, et al.: Adipocyte-derived extracellular vesicles increase insulin secretion through transport of insulinotropic protein cargo. Nature Communications 2023; DOI: 10.1038/s41467-023- 36148-1.

Quelle: Universität Augsburg, Pressemeldung vom 13.02.2023



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 5/2023 auf Seite M268.

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