Laborwerte: Tryptophan zur besseren Erkennung zahlreicher Entzündungserkrankungen
- 15.05.2024
- Print-News
- Redaktion
Tryptophan ist eine essenzielle/unentbehrliche Aminosäure, die mit der Ernährung zugeführt werden muss. Menschen mit chronischen Darmentzündungen haben einen deutlich stärkeren Verbrauch an Tryptophan als Gesunde. Das haben vorangegangene Forschungsarbeiten unter Beteiligung von Mitgliedern des Exzellenzclusters Precision Medicine in Chronic Inflammation (PMI) gezeigt. In einer systematischen Analyse [1] konnten PMI-Clustermitglieder nun zeigen, dass erhöhter Tryptophanverbrauch als Folge der Entzündung bei einer Vielzahl chronischer Entzündungserkrankungen auftritt.
Das Kieler Team des Exzellenzclusters PMI hat dazu in den vergangenen zehn Jahren Blutproben von Patient*innen massenspektrometrisch untersucht, welche aufgrund einer chronischen Entzündungserkrankung im Exzellenzzentrum Entzündungsmedizin (Comprehensive Center for Inflammation Medicine, CCIM) am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, behandelt wurden. Hierbei wurden der Tryptophangehalt und in ausgewählten Patient*innengruppen ebenfalls der Gehalt verschiedener Abbauprodukte von Tryptophan untersucht. „Wir haben diese Analyse als einen neuen Biomarker in den klinischen Alltag integriert und standardisiert im Laborprofil die Tryptophanwerte mitbestimmt“, erklärt die Erstautorin Dr. Danielle Harris vom Institut für Klinische Molekularbiologie (IKMB) der Christian-Albrechts- Universität (CAU) und des UKSH, Campus Kiel. Dadurch wurden über zehn Jahre hinweg Daten von knapp 2000 Patient*innen zu verschiedenen Zeitpunkten gesammelt. Da die Betroffenen mehrfach in die Ambulanz kamen, wurden insgesamt rund 30000 Proben genommen. Eingeflossen sind so Daten zu 13 chronischen Entzündungserkrankungen, bei 9 waren die Tryptophankonzentrationen im Blut signifikant reduziert. Dazu zählen neben den Darmentzündungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ebenfalls zahlreiche rheumatische Erkrankungen (z. B. Rheumatoide Arthritis, Axiale Spondylarthritis, systemische Lupus erythematodes).
Darüber hinaus beobachtete das Team, dass die Tryptophankonzentrationen im Blut auch noch bei Personen reduziert waren, bei denen mit den bisherigen klinischen Untersuchungen keine Entzündung mehr festzustellen war. Um Entzündungen im Körper festzustellen, nutzen Ärztinnen und Ärzte bislang neben sichtbaren Entzündungszeichen v. a. einen etablierten labordiagnostischen Biomarker, das C-reaktive Protein (CRPWert). „Mit dem reduzierten Tryptophan-Level haben wir also nun einen neuen, potenziellen Marker, der auch kleinste Rest-Entzündungen noch detektieren kann“, erklärt der federführende Autor Konrad Aden, Else Kröner Clinician Scientist, Professor an der Medizinischen Fakultät der CAU. Dies könne laut Aden bspw. hilfreich sein bei der Entscheidung, wann und in welcher Intensität eine medikamentöse Therapie begonnen werden soll. Sollte sich Tryptophan als Marker in klinischen Studien weiterhin behaupten, könnte er die bisherigen Standardwerte ergänzen und die Diagnostik verbessern.
In den aktuellen Studien steht auch der Einfluss des individuellen Darmmikrobioms und dessen Einfluss auf Tryptophan als Biomarker im Fokus. Co-Autor Silvio Waschina, Jun.-Prof. für Nutriinformatik an der CAU, hebt hervor: „Besonders faszinierend ist der Zusammenhang mit dem Mikrobiom, da bekannt ist, dass mikrobielle Abbauprodukte des Tryptophanstoffwechsels eine intensive Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem aufweisen.“ Ein Ansatz ist hier auch, den Mangel durch eine zusätzliche Gabe von Tryptophan-Stoffwechselprodukten auszugleichen und so die Entzündung abzuschwächen. Hierzu führen Clustermitglieder aktuell klinische Studien durch.
Literatur
1. Harris DMM, Szymczak S, Schuchardt S, et al.: Tryptophan degradation as a systems phenomenon in inflammation – an analysis across 13 chronic inflammatory diseases. eBioMedicine 2024.
Quelle: Exzellenzcluster Präzisionsmedizin für chronische Entzündungserkrankungen, Pressemeldung vom 27.03.2024
Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 5/2024 auf Seite M256.