Food Trends: In-vitro-Fleisch: Vorteile und Risiken

Die aktuelle Fleischproduktion sowie der wachsende Fleischkonsum verschärfen den Welthunger und haben negative Auswirkungen auf die Umwelt, die menschliche Gesundheit und das Wohl der Tiere. Ob In-vitro-Fleisch (kultiviertes Fleisch), ein aus Muskelzellen gezüchtetes künstliches Fleisch, die Lösung ist, untersucht Silvia Woll, Technikphilosophin und Kulturwissenschaftlerin.

Kultiviertes Fleisch sollte aus Sicht potenzieller KonsumentInnen unzweifelhafte Vorteile und keinerlei Nachteile gegenüber natürlichem Fleisch haben. © Liudmila Chernetska/iStock/Getty Images Plus

Laut ihr könnte In-vitro-Fleisch ein Teil der Lösung sein, aber nur ein Ansatz unter vielen. Ihre Aufgabe sieht sie darin, als „neutrale wissenschaftliche Beobachterin“ Politik und Gesellschaft über die Vor- und Nachteile von neuen Technologien zu informieren, um eine fundierte Meinungsbildung zu ermöglichen. So manches Start-up bewirbt bereits die Vorzüge von Laborfleisch: Es sei umwelt- und tierfreundlicher, gesünder und sicherer. Silvia Woll beurteilt die Lage pragmatischer: „Bislang gibt es nur ein In-vitro-Fleisch-Produkt auf dem Markt, und das ausschließlich in Singapur – allerdings besteht dieses nur zum Teil aus In-vitro-Fleisch, der andere Teil ist pflanzlich, und das Verhältnis gibt der Hersteller nicht bekannt.“

Wann In-vitro-Fleisch ein für den europäischen oder deutschen Markt relevantes Produkt sein wird, bleibt offen. Derzeit gibt es noch keine Zulassung. Auch die Akzeptanz für künstliches Fleisch hält sich in Deutschland in Grenzen. Laut dem Technik-Radar, einer Studie von acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und der Körber-Stiftung (einer Stiftung, die sich vorrangig geschichtlich-kulturellen Themen und deren gesellschaftspolitischem Bezug widmet), kann sich nur ein knappes Viertel aller Deutschen das sog. Laborfleisch als Ersatz vorstellen. Auf diese Einstellung traf Silvia Woll auch in einem Forschungsprojekt, in dem sie u. a. BürgerInnen zu ihrer Einstellung zu In-vitro-Fleisch befragte. Die Ablehnung sei zunächst immer sehr groß gewesen. Zwar hätten einige ihre Ansicht geändert, nachdem sie mehr über potenzielle Vorteile erfahren hätten. Mehr Akzeptanz war aber immer mit dem Wunsch verbunden, dass kultiviertes Fleisch unzweifelhafte Vorteile und keinerlei Nachteile gegenüber natürlichem Fleisch hat, insbesondere für das Tierwohl.

Wichtig für die Akzeptanz eines solchen Produkts sei es, dass die Informationen über In-vitro-Fleisch wahr und vollständig sind. Es werde bisher viel über die Vorteile, nicht aber über Kritikpunkte gesprochen. Laut Woll sei, unabhängig von der bisher nicht belastbaren Studienlage, nicht zu erwarten, dass wir mit In-vitro-Fleisch die Ernährungsprobleme in den Griff bekommen. Eindeutig ist die Studienlage jedoch dahingehend, dass wir den Konsum von Fleisch und tierischen Produkten reduzieren müssen.

Quelle: Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Pressemeldung vom 27.01.2021

Lesen Sie hierzu auch den Beitrag „In-vitro-Fleisch: Eine Lösung der Probleme der Fleischproduktion und des Fleischkonsums?“ im ERNÄHRUNGS UMSCHAU-Sonderheft 5: Vegan.



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 6/2021 auf Seite M308.

Das könnte Sie interessieren
Änderungen bei Kennzeichnung und Zusammensetzung für Honig & Co. weiter
Nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung – Herausforderungen und Erfolgsfaktoren weiter
Immer häufiger Cannabinoide in Süßwaren weiter
Ernährungspyramide aktualisiert weiter
Supermärkte und Discounter fördern ungesunde Essgewohnheiten weiter
Kompetenzzentrum für Ernährung & Therapie eröffnet weiter