Neurodegenerative Erkrankungen und Ernährung: Mediterrane Diät schützt vor Demenz – auch in Deutschland

Dass eine Ernährungsweise, die reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren und antioxidativen Komponenten – v. a. Polyphenolen – ist, vor Demenz schützen könnte, deutete sich schon in der, in den neunziger Jahren in Südfrankreich durchgeführten, PAQUID-Kohortenstudie an [1].

Die AutorInnen schränkten ein, dass mögliche Faktoren wie Bildung und Lebensstil zu wenig berücksichtigt wurden, und regten an, das Thema weiter zu erforschen. Im Jahr 2006 veröffentlichten Scarmeas et al. eine prospektive Studie, in der sie zeigen konnten, dass Menschen, die sich stark an eine mediterrane Ernährungsweise hielten (MediDiet; hoher Verzehr von Gemüse, Hülsenfrüchten, Obst, Nüssen, Getreide und Olivenöl; geringe Aufnahme von gesättigten Fetten und rotem Fleisch) ein signifikant geringeres Risiko aufwiesen an Alzheimer zu erkranken, als Personen, die sich nur „wenig“ mediterran ernähren [2].

In der Folge bestätigen eine ganze Reihe an Studien – wenn auch nicht alle –, dass eine MediDiet vor Demenz schützen könnte. Ein kürzlich erschienener Umbrella-Review, der systematisch Metaanalysen prospektiver Studien zu Ernährungsfaktoren und dem Auftreten von neurodegenerativen Erkrankungen zusammenfasste und bewertete, kommt zu dem Schluss, dass eine MediDiet sowie der Verzehr von Fisch und Tee invers mit neurodegenerativen Erkrankungen assoziiert sein könnte. Allerdings sei die Qualität der Evidenz im Allgemeinen gering, sodass weitere Studien zu fordern sind [3].

In diesen Kontext ordnet sich eine aktuelle Studie ein, die Anfang Mai 2021 in einer Vorabversion in der renommierten Fachzeitschrift Neurology erschienen ist [4]. WissenschaftlerInnen des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) legen darin dar, dass „eine mediterrane Ernährung, die reich an Fisch, Gemüse und Olivenöl ist, das Gehirn möglicherweise“ kausal vor Alzheimer schützen könnte (Pressemitteilung DZNE). Im Rahmen der bundesweiten DELCODE-Studie des DZNE, die die prodromale Phase der Alzheimer Krankheit untersucht, wurden 512 StudienteilnehmerInnen mit einem Durchschnittsalter von 70 Jahren eingeschlossen, von denen 343 Personen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer Alzheimer Demenz aufwiesen. Die Ernährungsweise der StudienteilnehmerInnen wurde mithilfe eines Fragebogens für häufig verzehrte Lebensmittel erfasst und ein MediScore anhand eines Punkteschemas berechnet. Die kognitiven Fähigkeiten wurden mit neuropsychologischen Tests in unterschiedlichen Domänen erfasst und strukturelle Gehirnbilder mithilfe der Magnet-Resonanz-Spektroskopie aufgenommen. Schließlich wurde den StudienteilnehmerInnen Zerebrospinalflüssigkeit (ZSF) entnommen und darin neuropathologische Marker – Beta-Amyloid- und Tau-Peptide – quantifiziert. Die erhaltenen Messdaten wurden mittels statistischer Regressionsanalysen in Beziehung gesetzt.

Dabei zeigte sich, dass der MediScore positiv mit dem Volumen des Hippocampus und des parahippocampalen Gyrus – zwei Schlüsselregionen für die Gedächtnisbildung – assoziiert ist. Auch die Kognition in den Dimensionen Gedächtnis und Sprache, als auch die Biomarker im ZSF zeigten eine positive Verknüpfung mit dem MediScore.

Weiterhin führten die AutorInnen eine Mediationsanalyse durch, um die kausalen Pfade zu den klinisch relevanten Ergebnissen zu entschlüsseln. Auch der Beitrag einzelner Komponenten der MediDiet wurde analysiert. Dabei zeigten lediglich Zerealien eine signifikant positive Assoziation mit dem mediotemporalen Volumen. Für die positiven Veränderungen der ZSF-Biomarker scheint ein niedriges Verhältnis von einfach ungesättigten zu gesättigten Fettsäuren entscheidend zu sein.

Eine Schlussfolgerung könnte sein, dass eine ganzheitliche Ernährung, insbesondere eine hohe Zufuhr pflanzlicher Lebensmittel, eher als einzelne Nährstoffe, den kognitiven Verfall und Demenz reduzieren könnte [5]. Die aktuelle Studie von Ballarini et al. unterstreicht, dass die Einhaltung der MediDiet mit einer gewissen Verbesserung der kognitiven Gesundheit verbunden ist und möglicherweise auch kausale Zusammenhänge zur Ätiologie der Alzheimer Demenz bestehen [4]. Neben der Ernährung repräsentieren soziale Integration und physische Aktivität weitere wichtige Faktoren, die in multifaktoriellen Ansätzen gemeinsam zu einer Prävention von Alzheimer beitragen könnten, wie etwa in der prospektiven FINGER Studie gezeigt wurde [6]. Somit kann die MediDiet als Teil eines multifaktoriellen Ansatzes zur Verbesserung der kognitiven Funktion im höheren Lebensalter betrachtet werden [7]. Auch bilanzierte Diäten wie Souvenaid®, die nach dreijähriger Anwendung per se den geistigen Verfall von Alzheimer-PatientInnen im Anfangsstadium verlangsamen können, werden multifaktorielle Ansätze bereichern [8].

Prof. Dr. Gunter P. Eckert
Professur für Ernährung in Prävention und Therapie
Universität Gießen

Literatur

  1. Larrieu S, Letenneur L, Helmer C, et al.: Nutritional factors and risk of incident dementia in the PAQUID longitudinal cohort. J Nutr Health Aging 2004; 8: 150–4.
  2. Scarmeas N, Stern Y, Tang M-X, et al.: Mediterranean diet and risk for Alzheimer‘s disease. Ann Neurol 2006; 59: 912–21.
  3. Barbaresko J, Lellmann AW, Schmidt A, et al.: Dietary factors and neurodegenerative disorders: an umbrella review of meta-analyses of prospective studies. Adv Nutr 2020; 11: 1161–73.
  4. Ballarini T, van Lent DM, Brunner J, et al.: Mediterranean diet, Alzheimer disease biomarkers and brain atrophy in old age. Neurology® 2021; DOI: doi.org/10.1212/WNL.0000000000012067.
  5. Pistollato F, Iglesias RC, Ruiz R, et al.: Nutritional patterns associated with the maintenance of neurocognitive functions and the risk of dementia and Alzheimer’s disease: a focus on human studies. Pharmacol Res 2018; 131: 32–43.
  6. Ngandu T, Lehtisalo J, Solomon A, et al.: A 2 year multidomain intervention of diet, exercise, cognitive training, and vascular risk monitoring versus control to prevent cognitive decline in at-risk elderly people (FINGER): a randomised controlled trial. Lancet (London, England) 2015; 385: 2255–63.
  7. Limongi F, Siviero P, Bozanic A, Noale M, Veronese N, Maggi S: The effect of adherence to the mediterranean diet on late-life cognitive disorders: a systematic review. J Am Med Dir Assoc 2020; 21: 1402–9.
  8. Soininen H, Solomon A, Visser PJ, et al.: 36-month LipiDiDiet multinutrient clinical trial in prodromal Alzheimer’s disease. Alzheimer’s Dement 2021; 17: 29–40.

Lesen Sie hierzu auch den Beitrag „Mediterrane Ernährung zur Prophylaxe der Alzheimer Demenz“ in Ernährungs Umschau 08/2008.



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 6/2021 auf Seite M312.

Das könnte Sie interessieren
Medienumschau 12/2024 weiter
Gesundheitliche und soziale Folgen hängen vom Wohnort ab weiter
„Was isst Bayern?“ weiter
Anhand der Gene vorhersagen, ob eine Ernährungsumstellung helfen kann weiter
Neuer Test verbessert Diagnose von Allergien weiter
Pflanzenbasierte Ernährung – Mehr als nur ein Trend? weiter