Kariesprävention: Zähne von Geburt an mit Fluorid schützen

Lange schon forderten Fachkräfte einheitliche Handlungsempfehlungen zur Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter. Am 29. April 2021 wurden diese in einer digitalen Veranstaltung vorgestellt und in der Monatsschrift Kinderheilkunde veröffentlicht. VertreterInnen der relevanten Fachgesellschaften und -organisationen haben die Empfehlungen gemeinsam entwickelt. Koordiniert hat diesen Prozess das Netzwerk Gesund ins Leben.

Einheitliche Handlungsempfehlungen zur Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter schaffen Vertrauen und fördern die Akzeptanz. © Halfpoint/iStock/Getty Images Plus
Einheitliche Handlungsempfehlungen zur Kariesprävention im Säuglings- und frühen Kindesalter schaffen Vertrauen und fördern die Akzeptanz. © Halfpoint/iStock/Getty Images Plus

„Das ist ein Meilenstein für die frühkindliche Gesundheitsprävention und hilft allen sehr dabei, die Maßnahmen zur Kariesprävention im individuellen Alltag von Familien mit Babys und kleineren Kindern besser zu verankern. Kinder- und Jugendärztinnen/-ärzte, Zahnärztinnen/-ärzte, die Fachkräfte der Gruppenprophylaxe, Hebammen und alle, die junge Familien beraten, sprechen gleiche Empfehlungen aus und ihre Beratungen ergänzen sich“, so Netzwerk-Leiterin Maria Flothkötter.

Die Karieshäufigkeit im Milchgebiss ist seit Mitte der 1990er Jahre bisher nur um etwa 35 % zurückgegangen. Fast die Hälfte der 6- bis 7-Jährigen ist von Karies betroffen – besonders häufig Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien. „Kariöse Milchzähne können Schmerzen verursachen, beim Essen Schwierigkeiten machen und so die körperliche Entwicklung des Kindes verlangsamen. Insbesondere die Behandlung kleinerer Kinder kann mit Belastungen für die Familie verbunden sein“, erläutert Prof. Dr. Ulrich Schiffner, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (DGKiZ) und Mitautor der neuen Empfehlungen. Und: Bleiben die Milchzähne kariesfrei, ist auch das Kariesrisiko bei den bleibenden Zähnen geringer. Dr. Burkhard Lawrenz vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) ergänzt: „Wenn Präventionsmaßnahmen schon im frühen Kleinkindalter zur Gewohnheit werden und im Alltag verankert sind, bleiben sie im späteren Kindes-, Jugend- und Erwachsenenalter als Routinen etabliert.“

Neben der Begrenzung des Verzehrs von Süßigkeiten und süßen Getränken und der regelmäßigen Zahnreinigung spielt die Fluoridanwendung eine wichtige Rolle in der Kariesprävention. Bereits ab der Geburt wird Fluorid empfohlen: zunächst als tägliche Tablette in Kombination mit Vitamin D, bei Bedarf aufgelöst in ein paar Tröpfchen Wasser. Fluoride haben kariespräventive Effekte, indem sie der Demineralisation der Zahnhartsubstanzen entgegenwirken.

Ab Durchbruch des ersten Zahns bis zum Ende des ersten Lebensjahres wird das Kind behutsam an das Zähneputzen herangeführt. Eltern haben für die Fluoridanwendung zwei Wahlmöglichkeiten: Entweder geben sie weiter die Tablette mit Fluorid und Vitamin D und beginnen das erste Zähneputzen ohne Zahnpasta oder mit einer geringen Menge Zahnpasta ohne Fluorid. Alternativ nehmen sie ab dem Zahndurchbruch nur Vitamin D als Tablette und putzen die Zähne mit einer bis zu reiskorngroßen Menge Zahnpasta mit 1 000 ppm Fluorid (parts per million, ppm) bis zu zweimal täglich.

Ab dem ersten Geburtstag gilt dann: zweimal täglich putzen mit einer reiskorngroßen Menge Zahnpasta mit Fluorid. Es ist wichtig, dass die Eltern die Zahnpasta genau dosieren, da laut Lawrenz Säuglinge und Kleinkinder Zahnpasta noch nicht ausspucken können und eine zu hohe Fluoridaufnahme vermieden werden sollte. Zahnpasten aus Tuben mit kleinerer Öffnung und solche mit neutraler Farbe und neutralem Geschmack sind zu bevorzugen. Sie sollten für alle Kinder zwischen null und sechs Jahren 1 000 ppm Fluorid enthalten. Nach dem zweiten Geburtstag werden die Zähne zweimal täglich zu Hause mit einer erbsengroßen Menge Zahnpasta geputzt. Das Kind lernt das Putzen, die Eltern putzen die Kinderzähne sauber. Hinzu kann ergänzend ein drittes Zähneputzen in Kindergärten und Kitas kommen.

www.gesund-ins-leben.de/kariespraevention

Netzwerk Gesund ins Leben
Das Netzwerk ist im zur Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gehörenden Bundeszentrum für Ernährung (BZfE) angesiedelt und eine Einrichtung im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL).

Quelle: Netzwerk Gesund ins Leben, Pressemeldung vom 29.04.2021

Anmerkung der Redaktion:
(ck) Die einheitlichen Empfehlungen zur Kariesprävention schaffen, wie von Maria Flothkötter hervorgehoben, Vertrauen und Sicherheit bei den Eltern. Dies wiederum resultiert in einer verbesserten Akzeptanz bzgl. der erforderlichen Maßnahmen zur Kariesprävention.
Doch besteht hier nicht auch die Gefahr, den Eltern das Gefühl zu vermitteln, dass eine Tablette bzw. die fluoridhaltige Zahnpasta ausreiche, alles Notwendige getan zu haben? Dieser berechtigte Einwand einer Teilnehmerin der Pressekonferenz zielt darauf ab, dass generell auch auf eine kariespräventive Ernährung geachtet werden sollte. So betonte Prof. Dr. Berthold Koletzko, Kinder- und Jugendmediziner, dass neben Zahnreinigung und Plaqueentfernung sowie Fluoridierungsmaßnahmen eine reduzierte Aufnahme von Süßem und Süßgetränken (insbesondere aus der Nuckelflasche) eine der drei zentralen Elemente der Kariesprävention darstelle.
Aber nicht nur der reduzierte Verzehr von Süßem, sondern allgemein eine gesundheitsförderliche Ernährung trägt zu einer reduzierten Kariesentstehung bei. So spielt bspw. die Art des aufgenommenen Zuckers eine Rolle. Hochmolekulare Kohlenhydrate (Ballaststoffe) müssen erst gespalten werden, kurzkettige Zuckermoleküle (Saccharose, Glukose, Fruktose) hingegen können direkt von Bakterien zu den Zahnschmelz schädigenden Säuren umgewandelt werden. Obst in fester Form regt durch intensives Kauen den Speichelfluss an. Ein erhöhter Speichelfluss gleicht die Demineralisation an der Zahnoberfläche aus. Somit könnte der Genuss bspw. eines Apfels einen gewissen Kariesschutz bieten. Demgegenüber stellen jedoch Fruchtsäfte aufgrund des hohen Fruktosegehalts eine mögliche Kariesursache dar (Ernährung – eine Säule der Kariesprävention“ in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 10/2014).

Einheitliche Handlungsempfehlungen sind wichtig – doch die Pressekonferenz zeigte auch, dass nicht alle Fragen junger Eltern geklärt werden können und nach wie vor Diskussionsbedarf besteht. Ein Beispiel ist das nächtliche Stillen bzw. das nächtliche Fläschchen geben. Aus kariespräventiver Sicht sollte aufgrund des in der (Mutter)Milch enthaltenden Zweifachzuckers Laktose das Stillen/Fläschchen geben nachts möglichst vermieden/ reduziert werden. Dies ist mitunter schwierig und hier bleibt es den Eltern überlassen, zwischen Zahngesundheit und dem Sättigungs- bzw. Nähebedürfnis des Kindes zu den Eltern abzuwägen. Bei der Zubereitung von Säuglings(milch)nahrung mit Wasser muss darüber hinaus der Fluoridgehalt des verwendeten Wassers geprüft werden, um eine Überfluoridierung zu vermeiden. Notfalls muss die zusätzliche Gabe von Fluorid reduziert werden.



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 6/2021 auf den Seiten M313-M314.

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