Ein Zwischenruf der Redaktion: fake journals oder fake science?
- 15.08.2018
- Print-News
- Dr. Udo Maid-Kohnert
Als ob dies nicht schon schwer genug wäre, wird der Wissenschaftsbetrieb nun durch Meldungen über Pseudo-Fachzeitschriften aufgemischt [1]: Sogenannte predatory open access journals („Raubjournale“) ermöglichen gegen Gebühr die Veröffentlichung wissenschaftlicher Ergebnisse, ohne dass ein nachvollziehbarer, qualitätsgesicherter Begutachtungsprozess (Peer-Review-Verfahren) und eine Prüfung durch Redaktionen bzw. Herausgeber erfolgen. Solche Online Journals ahmen teilweise in optischer Anmutung und Titelgestaltung etablierte, seriöse Fachzeitschriften nach und ihr Geschäftsmodell ist nicht zuletzt eine Reaktion auf den „Publikationsdruck“, dem Wissenschaftler mittlerweile unterliegen: Masse statt Klasse – ich publiziere, also bin ich (und bastle an meiner Laufbahn, erhalte Drittmittel, erfülle Vorgaben der Fakultät …). Der (kurzfristige) Vorteil für die Autoren ist die schnelle „zitierfähige“ Publikation ohne lästige Gutachterkommentare – auch und vor allem von Beiträgen, die in qualitativ hochwertigen Zeitschriften abgelehnt würden. Der große Nachteil für die Wissenschaft, aber auch für die Gesellschaft: Es kommt zu einer Verzerrung der „Studienlage“, denn solche dubiosen Journals können auch als Eingangspforte für Interessengruppen in wissenschaftliche Datenbanken dienen, um z. B. nicht ausreichend abgesicherte Ernährungsformen zu propagieren und Zweifel an etablierten wissenschaftlichen Erkenntnissen (z. B. über Zucker oder Fette) zu säen, um politische Entscheidungen zu beeinflussen.
Während die Volltexte vieler etablierter Online-Journals z. T. nur für Abonnenten zugänglich sind, sind die Texte der „schwarzen Schafe“ für jeden zugänglich und schrauben sich so in den Trefferlisten der Suchmaschinen nach oben, werden „erste“ Informationsquelle auch für Laien. Nicht zuletzt seit auf dieser Welt eine 325-Mio.-Einwohner-Nation mit einem wissenschaftsignoranten Regierungschef gestraft ist, dessen hauptsächliches Amtsgeschäft in der systematischen Verleugnung belegbarer Fakten und der kurzgetexteten Verbreitung kurzgedachter eigener Fehleinschätzungen zu bestehen scheint, haben Wortschöpfungen mit „fake“ Hochkonjunktur. Die Gefahr ist nun, dass aus nötigen und begründeten Meldungen über „fake journals“ die Wahrnehmung von „fake science“ entsteht (vgl. [2]). Hier sind Wissenschaftler, Fachkräfte und seriöse Multiplikatoren gefragt, die Anliegen, den gesellschaftlichen Wert, aber auch prinzipielle Limitationen von Forschungsansätzen1 und deren Übertragung ins Alltagsleben zu kommunizieren, damit sich nicht alle frohgemut den Filterblasen- bzw. Informationsblasen- optimierten Halb- und Komplementärwahrheiten bzw. der Esoterik zuwenden.
Qualität statt Fake in der ERNÄHRUNGS UMSCHAU
Wie sieht es mit den Qualitätskriterien der Fachzeitschrift ERNÄHRUNGS UMSCHAU aus? Da wir mittlerweile im 66. Jahrgang sind, lässt sich der Verdacht einer dubiosen Neugründung schnell ausschließen. Bereits seit Jahrzehnten ist die fachgerechte Beurteilung und Bearbeitung der Artikel durch eine kompetente Redaktion in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Herausgebern und einem umfangreichen Fachbeirat Grundlage der Arbeit.
Mit dem 2007 eingeführten Peer-Review-Verfahren für die Rubrik Wissenschaft & Forschung wurde die Hürde für die Publikation in der Zeitschrift noch höher gelegt. Zugleich erreichen uns immer wieder Zuschriften von Autorenteams, die sich für die kritischen, aber hilfreichen Anmerkungen aus diesem Begutachtungsprozess bedanken. Auch die Artikel der ERNÄHRUNGS UMSCHAU sind in der deutschen Version nur für Abonnenten zugänglich. Da uns die Bedeutung der internationalen Sichtbarkeit und Zitierfähigkeit bewusst ist, bietet der Verlag seit 2012 als zusätzlichen Service für Autoren die open-access-Publikation als englischen Volltext an. Bereits seit vielen Jahren ist die Ernährungs Umschau im Web of Science mit Impact Factor gelistet.
Auch die Artikel der weiteren Rubriken der Zeitschrift durchlaufen aufwendige Schritte der Qualitätssicherung, von der Auswahl geeigneter AutorInnen und praxisrelevanter Themen über die interne und externe Begutachtung fachlicher und methodischer Aspekte. So ist der Aufwand für die Beiträge der zertifizierten Fortbildung mit der Begutachtung durch Redaktion, die Fachgesellschaft DGE und zusätzlich eine ärztliche Leitung auch bei diesen „eingeworbenen“ Beiträgen ein vollwertiges, gut dokumentiertes Peer-Review-Verfahren mit mehrmonatigem Vorlauf. Und selbst die Beiträge der Rubriken Special und Im Focus, die ja bewusst aktuelle, oft kontroverse Themen aufgreifen, werden nicht „auf Quote“ geplant, sondern sind das Ergebnis zahlreicher Redaktionsmeetings und längerer Abstimmungen mit den jeweiligen AutorInnen.
Nicht zuletzt wirkt auch unser hoher Verbreitungsgrad in der deutschsprachigen Ernährungsfachwelt als qualitätssichernder Faktor: Während bereits wenige Zitierungen eines Artikels den Impact Factor eines kleinauflagigen Journals deutlich beeinflussen können, erreicht die ERNÄHRUNGS UMSCHAU Monat für Monat knapp 10 000 Ernährungsfachkräfte, rund 8 000 davon beziehen die Zeitschrift im kostenpflichtigen Abonnement (Print und/oder ePaper), weil Themenwahl und -aufbereitung für ihre tägliche berufliche Praxis wichtige Unterstützung bieten (Auswertung der letzten Leserbefragung). Damit stellt sich die Zeitschrift auch den Rückmeldungen der zahlreichen LeserInnen in Form von E-Mails an die Redaktion und Leserbriefen, aber auch in persönlichen Gesprächen auf Fachkongressen und Fortbildungsveranstaltungen.
Sie können also sicher sein, dass Sie mit der ERNÄHRUNGS UMSCHAU im Moment und auch in Zukunft kein fake journal in der Hand halten und die Inhalte sorgfältig ausgewählt und aufbereitet sind und dem bestmöglichen wissenschaftlichen Kenntnisstand entsprechen.
1 Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) setzt hier v. a. auf noch konsequentere evidenzbasierte Forschung [3]. Im Bereich der Ernährung sind jedoch aus methodischen/ ethischen Gründen nicht alle Fragestellungen einem rein evidenzbasierten Ansatz zugänglich, ohne deshalb gleich unseriös zu sein.
Quellen:
1. www.tagesschau.de/inland/fakescience-101.html
2. www.spektrum.de/kolumne/dieser-begriff-kann-der-wissenschaft-nur-schaden/1579216
3. AWMF unterstützt konsequente Initiativen gegen die Ausbreitung einer wissenschaftlichen Scheinwelt. Medizin - Kommunikation Medizinkommunikation. idw Pressemeldung vom 25.07.2018
Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 8/2018 auf den Seiten M413 bis M414.