Welternährung: Factsheet: Armut macht Hunger

Im September veröffentlichte die Heinrich-Böll-Stiftung gemeinsam mit dem TMG – Think Tank for Sustainability das Factsheet „Armut Macht Hunger“. Weltweit hungern 768 Mio. Menschen, das sind rund 10 % der Weltbevölkerung. Laut der Publikation sind Hunger und Mangelernährung eine Folge von Armut und Ungleichheit: Weltweit müssen 1,8 Mrd. Menschen mit weniger als 3,20 US-Dollar am Tag auskommen, knapp 700 Mio. Menschen haben weniger als 1,90 US-Dollar täglich zur Verfügung. Eine rein nährstofforientierte Ernährung koste im globalen Durchschnitt bereits 2,33 US-Dollar, eine ausgewogene und gesunde Ernährung mind. 3,75 US-Dollar – und sei damit für viele Menschen unerschwinglich.

Barbara Unmüßig, Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung, sagt: „Hunger und Mangelernährung sind das Resultat gesellschaftlicher Exklusion und Ungerechtigkeit, mangelnder politischer Verantwortung und unzureichenden politischen Handelns. Fehlende Kaufkraft, fehlender Zugang zu Land und Kriege sind zentrale Ursachen für Hunger. Die weltweit immer schneller aufeinanderfolgenden politischen, ökonomischen und ökologischen Krisen schwächen die Widerstandsfähigkeit armer Menschen. So hat die COVID-19-Krise von 2019 auf 2020 fast 100 Millionen Menschen mehr in Armut und Hunger getrieben.“
Laut Unmüßig müssen arme Menschen darin unterstützt werden, auf Krisen reagieren zu können. Dazu gehöre, dass unsere Ernährungssysteme – von Produktion über Vermarktung und Konsum – neu gedacht werden müssen. Auch soziale Sicherheit, sicherer Zugang zu Land und an die Klimakrise angepasste landwirtschaftliche Produktion und Beratung seien zentrale Elemente einer strukturellen Lösung. Den Fokus auf Produktivitätssteigerungen in der landwirtschaftlichen Produktion zu legen greife zu kurz.

Im Jahr 2020 seien fast alle Länder, in denen eine Hungersnot herrschte, von gewaltsamen Konflikten betroffen gewesen. Ende 2019 erreichte die Zahl der Menschen, die aufgrund von Konflikten und Gewalt vertrieben wurden, einen Rekordwert von 79,5 Mio. Zugleich spitzten sich ökologische Krisen zu. Mehr als 1 Mrd. Menschen lebe in Ländern, deren öffentliche Strukturen nicht mit den zu erwartenden ökologischen Krisen bis 2050 umgehen könnten.
Laut Alexander Müller, Geschäftsführer von TMG – Think Tank for Sustainability sind Hunger, Fehlernährung und Umweltzerstörung keine Randerscheinungen unseres Ernährungssystems. Ohne internationale Vereinbarungen würde die Herausforderung, zukünftig 10 Mrd. Menschen zu ernähren und gleichzeitig die natürlichen Ressourcen Erde zu schützen, nicht bewältigt werden können. Es sei zu befürchten, dass der anstehende UN-Gipfel zu Ernährungssystemen an dieser Stelle versagt. Es gäbe nicht einmal den Versuch, sich auf eine Vereinbarung der Mitgliedsstaaten zur Transformation des Ernährungssystems zu einigen. So würde Hunger als extremste Ausdrucksform von gesellschaftlicher Ausgrenzung, von Ungerechtigkeit und von Machtungleichgewichten weiterbestehen.

Auch in Deutschland gebe es einen Zusammenhang zwischen Armut und Fehlernährung. Im Vergleich zum Jahr 2018 nutzten im Jahr 2019 10 % mehr Menschen in Deutschland Tafeln, die Nahrungsmittel umsonst oder zu einem geringen Preis vergeben.
Laut Barbara Unmüßig brauchen wir in den Industrieländern eine neue und faire Sozialpolitik, die nicht die billigsten, energiedichten Lebensmittel mit zu viel Zucker, Salz und Kohlenhydraten zugrunde legt. Das Menschenrecht auf gesunde und vielfältige Nahrung müsse für alle Menschen auf der Welt gelten und endlich durchgesetzt werden. Eine klimafreundliche Landwirtschaft und gesundheitsförderliche Ernährung müssen Hand in Hand gehen. Ein Welternährungsgipfel, der die Transformation der Ernährungssysteme so grundsätzlich denkt, wäre ein Erfolg.

Factsheet „Armut Macht Hunger“:
www.boell.de/armut-macht-hunger 

Quelle: Heinrich-Böll-Stiftung, Pressemeldung vom 15.09.2021



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 11/2021 auf Seite M631.

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