© IMAGO/C. Hardt/Future Image In den meisten der im Food EPI 2021 untersuchten Bereichen erreichte der Umsetzungsgrad einer gesundheitsförderlichen Ernährungspolitik in Deutschland niedrige oder sehr niedrige Werte.

Food EPI 2021: Ernährungspolitik reformbedürftig

  • 08.11.2021
  • News
  • Stella Glogowski

Politik kann maßgeblich dazu beitragen, dass die gesündere und nachhaltigere Wahl bei der Ernährung eine einfache Wahl ist, bspw. durch Qualitätsstandards für die Schulverpflegung, Regeln für die Nährwertkennzeichnung oder Lebensmittelbesteuerung. Wo Deutschland in dieser Hinsicht steht, haben WissenschaftlerInnen vom Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) und des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie gemeinsam mit ExpertInnen aus Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft untersucht. Hierfür nutzten sie eine international anerkannte Methode: den sog. Food Environment Policy Index (Food-EPI). Dieser erfasst politische Maßnahmen und Regeln in zahlreichen Indikatoren.

Bei der Analyse mit dem Food EPI zeigte sich, dass Deutschland hinter seinem Potenzial zurückbleibt und Reformbedarf besteht. „Ein Vergleich der Ergebnisse mit internationalen Best Practices war ernüchternd und zeigte: Das Potenzial wird nur unzureichend genutzt. Deutschland bleibt aktuell deutlich hinter internationalen Best Practices zur Schaffung gesunder und nachhaltiger Ernährungsumfelder zurück und es besteht dringender Reformbedarf“, fasst Dr. med. Peter von Philipsborn, Wissenschaftler am Lehrstuhl für Public Health und Versorgungsforschung der LMU und Leiter des Forschungsprojekts, die Ergebnisse zusammen.
In den meisten untersuchten Bereichen erreichte der Umsetzungsgrad einer gesundheitsförderlichen Ernährungspolitik nur niedrige oder sogar sehr niedrige Werte. Handlungsbedarf besteht nach Ansicht der AutorInnen u. a. bei der Umsetzung einer qualitativ hochwertigen, gebührenfreien Schul- und Kitaverpflegung. „Ein gesundes und ausgewogenes Essen sollte für alle Kita- und Schulkinder in Deutschland verfügbar sein. Dazu brauchen wir eine flächendeckende und steuerfinanzierte Umsetzung verbindlicher Qualitätsstandards in diesem Bereich“, sagt Dr. Antje Hebestreit vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie. Zur Finanzierung schlagen die ExpertInnen die Einführung einer Herstellerabgabe auf Softdrinks vor, mit nach dem Zuckergehalt gestaffelten Steuersätzen. In Großbritannien führte die Einführung einer solchen Abgabe zu einem deutlichen Rückgang von Zuckergehalt und Zuckerkonsum
Handlungsbedarf bestehe auch beim Verpflegungsangebot in weiteren öffentlichen Einrichtungen. „Nicht nur in Kitas und Schulen, sondern auch in vielen anderen öffentlichen Einrichtungen gibt es Kantinen und andere Verpflegungseinrichtungen – so zum Beispiel in Behörden, Hochschulen, Kliniken und Seniorenheimen. Auch für diese sollten verbindliche Qualitätsstandards gelten, wie sie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) definiert wurden“, so Philipsborn.
Zudem fordern die AutorInnen gesetzliche Regeln für Lebensmittelwerbung, die sich an Kinder richtet. „Kinder sehen in Deutschland jeden Tag im Durchschnitt 15 Werbespots für ungesunde Lebensmittel, davon zehn im Fernsehen und fünf im Internet. Hieran haben auch freiwillige Selbstverpflichtungen der Lebensmittel- und Werbeindustrie nichts geändert. Die Politik ist in der Pflicht, Kinder vor gesundheitsschädlicher Werbung zu schützen“, betont Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK).

Hintergrund
15 % aller Todesfälle und 17 Mrd. € Gesundheitskosten pro Jahr gehen in Deutschland auf unausgewogene Ernährungsmuster zurück. Zudem verursacht das globale Ernährungssystem ein Viertel der weltweiten Treibhausgasemissionen und ist hauptverantwortlich für das Artensterben, haben ExpertInnen berechnet.

HINWEIS: In einer der kommenden Ausgaben erfahren Sie mehr über die Ergebnisse und die Reformvorschläge des Food EPI 2021 für Deutschland.

Quellen:
• LMU München, Pressemeldung vom 19.10.2021
• Online-Pressekonferenz der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU München) und des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie - BIPS gemeinsam mit der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), Pressemappe, 19.10.2021

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