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Gefährliche Keime befinden sich nicht nur auf bzw. in den Tieren, sondern auch auf den Kontaktflächen, im Staub und damit im gesamten Stall. © Ingram Publishing / Thinkstock

Multiresistente Bakterien: Erfolgreicher Einsatz gegen gefährliche Keime in der Tierzucht

  • 10.09.2015
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  • Redaktion

Als möglicher Risikofaktor für den Eintritt multiresistenter Keime in die Nahrungsmittelkette gilt die Kolonisation von Tierbeständen mit Bakterien, die auf immer weniger Antibiotika ansprechen. Erstmalig wurde jetzt bei einem Schweine haltenden Betrieb gezeigt, dass es durch umfassende Desinfektion der Anlage möglich ist, multirestente Bakterien wie zum Beispiel Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (LA-MRSA) vollständig aus dem Bestand zu entfernen.

© Universität Bonn, Ricarda Schmithausen
Abimpfung einzelner ESBL-E-Kolonien für die weitere Laboranalyse. © Universität Bonn, Ricarda Schmithausen

Der Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung und die Verbreitung multiresistenter Keime entlang der tierischen Produktionskette werden als eine Ursache der zunehmenden Verbreitung multiresistenter Keime auch bei Menschen angenommen. So wurden in zahlreichen Studien multiresistente Bakterien in Tierbeständen nachgewiesen, insbesondere bei Schweinebetrieben.

Besonderes Augenmerk gilt dabei den als MRSA bekannten Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus sowie den Extended Spectrum Beta-Lactamase-bildenden Enterobakterien, kurz ESBL-E. Die Übertragung der multiresistenten Keime kann dabei zum einen über die Menschen im Umfeld der landwirtschaftlichen Betriebe erfolgen, zum anderen über den Konsum der Fleischprodukte.

Um der Zunahme multiresistenter Keime zu begegnen, wird daher gefordert, die „stable to table“-Übertragung resistenter Keime – vom Tierstall auf den Esstisch – zu unterbinden. Allerdings befinden sich die Keime nicht nur auf oder in den Tieren, sondern auch auf den Kontaktflächen, im Staub und damit im gesamten Stall. Zudem sind Personen, die in dem Betrieb arbeiten oder im Umfeld leben, häufig auch transiente, also vorübergehende Träger der verschiedenen Erreger. Dies erschwert die Elimination multiresistenter Keime.

Im Rahmen einer wissenschaftlichen Kooperation haben nun Forscher verschiedener Institute erstmalig geprüft, ob es möglich ist, durch umfassende Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen von Stallgebäuden und Stallinstallationen MRSA- und ESBL-E-Keime in einem Schweine haltenden Betrieb zu eliminieren.

Weniger Darmerkrankungen und geringerer Antibiotikaeinsatz

In dem Betrieb, bei dem diese Untersuchungen durchgeführt wurden, waren in einem vorangegangenen Routine-Hygiene-Monitoring LA-MRSA (Livestock-assoziierte MRSA, finden sich häufig bei Masttieren, insbesondere Schweinen) und ESBL-E nachgewiesen worden. Der Landwirt entschloss sich zu einer Produktionserweiterung von der Ferkelerzeugung auch auf Jungsauenaufzucht, um so den Zukauf von Tieren und damit das Risiko des Eintrags neuer Keime zu reduzieren. In der Konsequenz wurde der bestehende Tierbestand gekeult, die gesamte Anlage von einem zertifizierten Desinfektor gereinigt und desinfiziert und der Hof um einen weiteren Tierstall erweitert.

Mithilfe von Abstrichen von den Schweinen, aus Luft, Wasser und Staub sowie von Haustieren und Personen, die auf dem Hof leben bzw. arbeiten, konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass die vor der Maßnahme vorhandenen LA-MRSA und ESBL-E-Keime vollständig eliminiert worden waren.

Auch nach zwölf Monaten wurden keine ESBL-E-Keime nachgewiesen, was den Erfolg der Maßnahme belegt. Der ursprünglich vorhandene LA-MRSA-Stamm konnte ebenfalls vollständig eliminiert werden. Allerdings wurde bereits zwei Tage nach Wiederaufnahme des Betriebs ein neuer LA-MRSA-Stamm nachgewiesen, dessen Herkunft nicht geklärt werden konnte.

Einer der Mitarbeiter des Hofes, der zuvor mit dem vor der Desinfektion nachweisbaren LA-MRSA kolonisiert war, war zwei Monate nach der Dekontamination ebenfalls mit dem neuen MRSA-Stamm der Schweine kolonisiert.

Ein Jahr nach Dekontamination berichtete der Landwirt über positive Effekte, unter anderem über weniger Darmerkrankungen der Tiere und einen geringeren Einsatz von Antibiotika aufgrund des geringeren Zukaufs von Schweinen. „Dieses Beispiel zeigt, dass es möglich ist, durch radikale Dekontamination multiresistente Keime aus landwirtschaftlichen Betrieben zu eliminieren. Die Herausforderung ist es, Methoden zu entwickeln, um den Neueintrag und die Verschleppung zu verhindern“, erläutert Isabelle Bekeredjian-Ding, Leiterin der Abteilung EU-Kooperation/Mikrobiologie des an der Studie beteiligten Paul-Ehrlich-Instituts die Ergebnisse.



Weitere Informationen

Originalpublikation: Schmithausen RM, Kellner SR, Schulze-Geisthoevel SV, Hack S, Engelhart S , Bodenstein I, Al-Sabti N, Reif M, Fimmers R, Körber-Irrgang B, Harlizius J, Hoerauf A, Exner M, Bierbaum G, Petersen B, Bekeredjian-Ding I (2015): Eradication of methicillin-resistant Staphylococcus aureus (MRSA) and Enterobacteriaceae expressing extended spectrum ß-lactamases (ESBL-E) on a model pig farm. Appl Environ Microbiol. 2015 doi: 10.1128/AEM.01713-15

Meldung des Paul-Ehrlich-Instituts

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