Adipositas-Forschung: Bestimmte Genregion erhöht Risiko für Übergewicht
- 20.08.2015
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- Redaktion
Über 500 Millionen Menschen weltweit, davon rund 15 Millionen in Deutschland, leiden unter Adipositas. Doch welchen Einfluss hat hierbei die persönliche genetische Ausstattung? Ein Forscherteam der TUM, des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Harvard Medical School in Boston hat gemeinsam die genetischen Ursachen von Übergewicht erforscht.
2007 wurde ein Bereich innerhalb eines Gens, des so genannten FTO-Gens, als wichtigster genetischer Kandidat für Übergewicht entdeckt. Trugen Menschen diesen Bereich, hatten sie ein erhöhtes Risiko, übergewichtig zu werden. Bisher konnte aber nicht geklärt werden, über welchen Mechanismus diese Genregion beim Menschen Übergewicht verursacht.
FTO wirkt auf Vorläuferstufen von Fettzellen
Mit Hilfe des „Roadmap Epigenomics Project” untersuchten die Wissenschaftler anhand von bioinformatischen Methoden zuerst, in welchen Gewebetypen die FTO-Region am stärksten angeschaltet oder auch epigenetisch verändert war – ein Zeichen für besondere genetische Aktivität.
Sie erhielten ein überraschendes Ergebnis: „Viele Studien haben versucht die FTO-Region mit Gehirnbereichen in Verbindung zu bringen, die den Appetit oder die Neigung zu körperlicher Aktivität kontrollieren”, erklärt Dr. Melina Claussnitzer, die als Hauptautorin die Studie leitete und unter anderem als Wissenschaftlerin an der TUM tätig ist.
„Wir konnten jetzt zeigen, dass die regulatorische Region innerhalb von FTO am stärksten in Vorläuferstufen von Fettzellen wirkt - unabhängig von Schaltkreisen im Gehirn.“ Die Wissenschaftler vermuteten deshalb, dass fehlgeschaltete Prozesse in den Vorläuferzellen für die Entstehung von Übergewicht verantwortlich sein könnten. Sie untersuchten Proben aus Fettgewebe von Menschen, die entweder die normale oder die Risikoregion des FTO-Gens trugen. Das Ergebnis: Nur in der Risiko-Gruppe waren zwei bestimmte Gene - IRX3 und IRX5 – angeschaltet.
Fettspeicherung statt Fettverbrennung
„Für uns war diese Erkenntnis hochinteressant. Weitere Experimente zeigten, dass IRX3 und IRX5 einen Prozess aktivieren, der die Vorläuferzellen dazu bringt, sich in Fettspeicherzellen zu entwickeln und die Fähigkeit zur Fettverbrennung zu verlieren“, ergänzt Hans Hauner, Professor für Ernährungsmedizin an der TUM, der in die Studie involviert war. Dieser Effekt verändere offenkundig das Energiegleichgewicht und könne zu Übergewicht beitragen.
Den Forschern gelang es, diesen Prozess gezielt zu beeinflussen: Schalteten sie IRX3 oder IRX5 in Kulturen mit menschlichen Fettgewebs-Vorläuferzellen an, aktivierten sie das Fettspeicherprogramm. Waren die beiden Gene dagegen nicht aktiv, verbrannten die Zellen Fett und erzeugten Hitze.
Anschließend konnten sie die Ergebnisse auch in Tierexperimenten bestätigen: Mäuse, bei denen IRX3 in Fettzellen ausgeschaltet wurde, hatten einen erhöhten Stoffwechsel und nahmen unter einer Hochfett-Diät nicht zu.
Veränderung in DNA-Sequenz steigert Fettverbrennung
Doch nicht nur den Mechanismus, sondern auch die exakte genetische Ursache konnten die Forscher in ihrer Studie entschlüsseln. Sie fanden eine einzige Position innerhalb der Region des FTO-Gens, die bei der Risiko-Variante verändert war. Reparierten die Wissenschaftler in menschlichen Fettzellen diesen Defekt mit neuesten gentechnischen Methoden, funktionierten sie wieder normal und steigerten die Fettverbrennung und Wärmebildung, statt Fett zu speichern.
Die Erkenntnisse der Wissenschaftler könnten den Weg für eine personalisierte Medizin für Adipositas oder Typ 2 Diabetes eröffnen, so Dr. Melina Claussnitzer, Erstautorin und Arbeitsgruppenleiterin am TUM Lehrstuhl für Ernährungsmedizin.
Weitere Informationen:
Publikation: Claussnitzer M, Dankel SN, Kim K-H, et al. FTO obesity variant circuitry and adipocyte browning in humans. New England Journal of Medicine, August 2015. DOI: 10.1056/NEJMoa1502214
Technische Universität München (TUM)
Ernährungsmedizin der TUM
Massachusetts Institute of Technology (MIT)