Bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren nimmt der BMI in den letzten Jahren stark zu. © SurfUpVector /iStock/Getty Images Plus

Risiko für Gewichtszunahme bei jungen Erwachsenen besonders hoch: Übergewicht und Adipositas

  • 28.09.2021
  • News
  • Redaktion

Übergewicht und Adipositas haben aufgrund ihrer bedeutenden gesundheitspolitischen und klinischen Relevanz eine große Public-Health-Bedeutung. Übergewicht ist ein entscheidender Risikofaktor für verschiedene Erkrankungen, von Herzinfarkt und Diabetes mellitus Typ 2 bis hin zu Krebs und Demenz. Ein Forschungsteam des Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) sowie des University College in London haben anhand einer großen nationalen Patientenkohorte ermittelt, dass vor allem junge Erwachsene (18–24 Jahre) von Übergewicht betroffen sind. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift The Lancet Diabetes & Endocrinology veröffentlicht.

Gemäß den Daten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit mittlerweile 44 % der Menschen von Übergewicht betroffen, Tendenz steigend. In Deutschland ist bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung übergewichtig. Das Forschungsteam um Professorin Claudia Langenberg, Leiterin der Abteilung ‚Computational Medicine‘ am BIH, sowie Professor Harry Hemingway, University College in London und Gastwissenschaftler am BIH, haben vor diesem Hintergrund untersucht, bei welcher Bevölkerungsgruppe sich Präventions- und Interventionsprogramme am meisten lohnen würden. „Um bestehende Programme effektiv durchzuführen“, so Claudia Langenberg, „muss man wissen welche Bevölkerungsgruppen besonders von Gewichtszunahme betroffen sind, um in diesen Gruppen gezielt intervenieren zu können. Mit unserer Studie wollten wir herausfinden, welche Bevölkerungsgruppe das wäre.“

Dazu führten die WissenschaftlerInnen eine Suche in Datenbanken durch, die Gesundheitsinformationen von über 2 Mio. BritInnen enthielten. Aus den Daten zu Größe und Gewicht berechneten sie den BMI. Das Forschungsteam hat sich die Daten aus den Jahren 1998 bis 2016 angeschaut und die Veränderungen über die Zeiträume von einem, fünf und zehn Jahren in verschiedenen Alterskohorten verglichen. Hierbei war auffällig, dass insbesondere bei jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren der BMI stark zunimmt. Andere bereits bekannte Risikofaktoren für Übergewicht, wie soziale Benachteiligung oder bestimmte ethnische Zugehörigkeiten, spielten für die schnelle Gewichtszunahme eine untergeordnete Rolle. Die Studienergebnisse haben gezeigt, dass Männer, die zu Beginn der Datenaufzeichnungen zwischen 18 und 24 Jahre alt waren, nach 10 Jahren ihr Gewicht von durchschnittlich 80,8 kg auf 90,2 kg erhöht hatten. Bei 37 % der jüngsten Erwachsenen, also jede/r/m Dritten, hatte sich das Gewicht nach 10 Jahren von normal- zu übergewichtig oder adipös verändert.
Im Vergleich dazu nahmen Männer im Alter von 65 bis 74 Jahren sogar leicht ab, von 83,9 auf 82,2 kg, berichtet Claudia Langenberg. In der Gruppe der ältesten Erwachsenen wurden nur 24 % der Normalgewichtigen übergewichtig oder adipös. Die ForscherInnen nutzen die Studienergebnisse dieser bisher größten Untersuchung zum Risiko für Gewichtszunahme als Grundlage für einen „Übergewichts-Risiko-Rechner“. Dieser berechnet basierend auf Informationen zum Alter, Geschlecht, sozialer Benachteiligung, ethnischer Zugehörigkeit und aktuellem BMI, wie groß das persönliche Risiko ist, in den nächsten Jahren übergewichtig zu werden.

Es zeigt sich, dass junge Erwachsene zwischen 18 und 24 Jahren dafür das höchste Risiko von allen Altersgruppen haben. Mit dem von dem Forschungsteam entwickelten Risikorechner kann jede(r) sein eigenes Risiko online selbst berechnen.

Als eine der Ursachen für die steigende Übergewichtsprävalenz vermutet Langenberg die wechselnden Lebensumstände. Im Laufe des Lebens junger Erwachsener spielen wechselnde Lebensumstände eine entscheidende Rolle: In der Phase des jungen Erwachsenalters machen Menschen große Lebensveränderungen durch. Sie fangen vielleicht an zu arbeiten, gehen zur Universität oder ziehen zum ersten Mal von zu Hause aus - ungesunde Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten, die man sich in diesen Jahren aneignet, können bis ins spätere Erwachsenenalter beibehalten werden. Aus diesem Grund sollten gezielte Präventionsmaßnahmen entwickelt werden, die auch für die Bevölkerungsgruppe der jungen Erwachsenen relevant sind, empfehlen die WissenschaftlerInnen.

Harry Hemingway sieht eindeutige Schlussfolgerungen aus der Studie für die Ernährungspolitik: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass es anhand leicht verfügbarer elektronischer Gesundheitsdaten möglich ist, diejenigen zu identifizieren, die das höchste Risiko tragen, an Gewicht zuzunehmen. Und dass es insbesondere junge Erwachsene sind, die an Gewicht zulegen, und gleichzeitig Menschen zwischen 35 und 54 Jahren die größte Chance haben, stark übergewichtig zu bleiben. Das zeigt, wie wichtig ein frühzeitiges Einschreiten ist und sich Strategien zur Verhinderung von Übergewicht und Adipositas auch gezielt an junge Erwachsene richten und auf sie zugeschnitten werden sollten.“


Quelle:
Berlin Institute of Health in der Charité (BIH): Risiko für Gewichtszunahme bei jungen Erwachsenen besonders hoch. Pressemeldung vom 03.09.2021

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