Interview: „Lupinen bereichern Landwirtschaft und Ernährung“
- 15.03.2016
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Frau Ruge-Wehling, Berichte über die Süßlupine häufen sich, die wenigsten Menschen dürften die Pflanze genau kennen. Was sind Lupinen?
Dr. Brigitte Ruge-Wehling: Lupinen sind bei uns heimische Eiweißpflanzen mit entsprechend hohen Eiweißgehalten von 30 bis 40 Prozent. Sie gehören innerhalb der Familie der Hülsenfrüchte wie auch Erbse, Soja, Ackerbohne und Erdnuss zur Unterfamilie der Schmetterlingsblütler.
Unterschieden werden die Blaue Lupine (L. angustifolius, Anm. d. Red.), die gut auf sandigen Lehmböden wächst, die Weiße Lupine (L. albus, Anm. d. Red.), die Lehm- und Lössböden bevorzugt und die Gelbe Lupine (L. luteus, Anm. d. Red.), die gut auf sandigen Böden gedeiht.
Welche Produktions- und Umweltbedingungen braucht die Süßlupine?
Dr. Ruge-Wehling: Die Lupine ist grundsätzlich eine anspruchslose Kulturart. Sogenannte marginale Böden mit niedrigen Bodenpunkten* zwischen 25 und 35 sind bereits für den Anbau geeignet. Die Pflanze mag jedoch keine zu hohen pH-Werte. Das gilt vor allem für Blaue und Gelbe Lupine. Die Weiße Lupine wird mehr im Süden Deutschlands angebaut und bevorzugt somit die etwas besseren Böden. Verschiedene Krankheiten, wie zum Beispiel die Brennfleckenkrankheit, können der Pflanze ebenso schaden wie zu hohe Frühjahrstrockenheit und hohe Feuchtigkeit bei der Abreife.
Wie kam es zur Wiederentdeckung des Lupinenanbaus in Deutschland?
Dr. Ruge-Wehling: Hier trafen mehrere Faktoren und Umstände zusammen: Der immense Import von Soja, das in Südamerika – mit bekannten Folgen für die Umwelt – in industriellem Maßstab produziert wird, ist in jüngerer Zeit verstärkt in die öffentliche Kritik geraten. Die Politik hat in Deutschland darauf reagiert, indem sowohl die Bundesregierung als auch die Bundesländer den Anbau von Eiweißpflanzen in der deutschen Landwirtschaft fördern. Dazu zählen hierzulande angebaute Körnerleguminosen, also Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen und Sojabohnen.
Auf wie viel Hektar werden derzeit in Deutschland Süßlupinen angebaut und wofür?
Dr. Ruge-Wehling: Auf 30 000 ha werden 90 Prozent Blaue Lupinen angebaut. Die Hauptanbaugebiete liegen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Hauptsächlich werden Lupinen für Tierfutter angebaut, aber in der jüngsten Vergangenheit hat die Lupine auch in der menschlichen Ernährung an Bedeutung gewonnen.
Welche Rolle spielt das Julius Kühn-Institut dabei?
Dr. Ruge-Wehling: Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat im Rahmen seiner sogenannten „Eiweißpflanzenstrategie" ein Programm zur Forcierung der Agrarforschung an Körnerleguminosen und zur Ausdehnung ihres Anbaus in Deutschland aufgelegt. Ein Ergebnis ist, dass wir seit circa zwei Jahren im Nordosten Deutschlands ein Netzwerk von Landwirtschaftsbetrieben, Verarbeitern, Futter- und Lebensmittelherstellern und Forschungseinrichtungen haben, das sich zum Ziel gesetzt hat, das Wissen zur optimalen Anbaupraxis für die fast verschwundene landwirtschaftliche Kulturart „Lupine" zu verbreiten und umzusetzen. Ziel ist, weitere Wertschöpfungsmöglichkeiten für diese wertvolle Eiweißpflanze zu erschließen.
Hilfreich ist außerdem, dass die EU-Agrarpolitik seit vergangenem Jahr im Rahmen der „Greening“-Maßnahmen Landwirte mit einer Prämie belohnt, wenn sie Körnerleguminosen in ihrem Betrieb anbauen. Und schließlich haben wir uns am Julius Kühn-Institut in Groß Lüsewitz bereits vor 15 Jahren, als noch kaum ein Praktiker etwas vom Lupinenanbau hören wollte, mit unseren Forschungskapazitäten der Lupine zugewandt.
Was war dafür ausschlaggebend?
Dr. Ruge-Wehling: Wir fühlen uns als öffentliche Forschungseinrichtung dazu verpflichtet, uns auch um die „kleinen", wenig genutzten oder fast vergessenen Kulturpflanzenarten zu kümmern, damit sie nicht eines Tages vollends aus der Landwirtschaft verschwinden.
Welchen Beitrag leistet Ihre Züchtungsforschung?
Dr. Ruge-Wehling: Das JKI befasst sich in erster Linie mit der Ertragserhöhung und Ertragsstabilität. Für die Erhöhung des Ertrages nutzen wir eine neue Variabilität, also zum Beispiel Genbankakzessionen, das heißt Wildmaterial. Wir beurteilen die Pflanzen auf dem Feld über mehrere Jahre und an verschiedenen Standorten, um solche zu ermitteln, die im Vergleich zur Ursprungssorte einen höheren Ertrag haben. In solchen Leistungsprüfungen werden dann Merkmale wie Kornertrag, Tausendkorngewicht oder Abreife der Pflanzen erfasst und verrechnet.
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Was ist mit Ertragsstabilität gemeint?
Dr. Ruge-Wehling: Bei der Ertragsstabilität geht es in erster Linie darum, gesunde Pflanzen anzubauen. Hier steht die Suche nach krankheitsresistenten (gesunden) Pflanzen gegenüber der Krankheit „Anthraknose“ im Fokus. „Anthraknose“ wird auch als Brennfleckenkrankheit bezeichnet und gilt weltweit als die wichtigste Krankheit im Lupinenanbau. Ein Befall der Pflanzen kann zu Ertragseinbußen von bis zu 100 Prozent führen.
Ist der Befall schon vor der Blüte, können die Pflanzen häufig gar nicht erst Hülsen bilden. Die Krankheit ist außerdem samenübertragbar. Erntet man befallenes Saatgut, so können im nächsten Jahr sofort wieder kranke Pflanzen auftreten. Da der Einsatz von Beizmitteln beschränkt ist, stellt die Suche nach resistenten Formen die einzig sinnvolle Alternative dar.
Sind Sie fündig geworden?
Dr. Ruge-Wehling: Ja. In Zusammenarbeit mit dem Züchter Saatzucht Steinach in Bocksee ist es uns gelungen, eine resistente Züchterlinie zu identifizieren. Diese Linie wurde nach künstlicher Inokulation über Jahre auf dem Feld auf einen möglichen Befall hin untersucht und zeigte keinerlei Krankheitssymptome mehr. Dieses Material kann nun zur Entwicklung gesunder Lupinensorten dienen.
Welche Rolle spielen die Resistenzgene?
Dr. Ruge-Wehling: Eine große Rolle, da die „Anthraknose“ den Anbau in Deutschland Mitte der 90er Jahre zum Erliegen gebracht hat. Die genannte resistente Zuchtlinie wurde in einem Forschungsprojekt im Hinblick auf die Vererbung der Resistenz untersucht. Wir konnten zeigen, dass die Resistenz nur von einem Faktor vererbt wird und haben das Resistenzgen LanrBo genannt.** Um den Züchtungsfortschritt zu beschleunigen, haben wir sogenannte molekulare Selektionswerkzeuge entwickelt, die dem Züchter ermöglichen, diese anstatt dem aufwendigen Resistenztest zur Selektion einzusetzen.
Gibt es noch weitere Resistenzgene dieser Art?
Dr. Ruge-Wehling: Neben dem beschriebenen Resistenzgen ist nur noch ein weiteres Gen aus der australischen Sorte „Tanjil“ bekannt. Dieses wurde bereits vor 10 Jahren beschrieben und heißt Lanr1. Die beiden Resistenzgene LanrBo und Lanr1 werden vom Züchter bei der Sortenentwicklung berücksichtigt.
Können Lupinen die deutsche Landwirtschaft langfristig bereichern?
Dr. Ruge-Wehling: Unbedingt! Sie sind Hülsenfrüchte mit hochwertigem Eiweiß für Tier und Mensch. Lupinen steigern die Bodenfruchtbarkeit und den Ertrag der Nachfrüchte, außerdem binden sie mit Hilfe von Knöllchenbakterien den Stickstoff aus der Luft im Boden – circa 170 kg Stickstoff je Hektar und Jahr. Sie helfen so, mineralischen Stickstoffdünger einzusparen und die Emission von Treibhausgasen zu vermindern. Nicht zuletzt weiten Lupinen Fruchtfolgen auf und bieten blütenbesuchenden Insekten Nahrung.
Wie lassen sich Lupinen in die menschliche Ernährung integrieren?
Dr. Ruge-Wehling: Das hochwertige Lupinen-Protein steht dem der Sojabohne in nichts nach. In Südeuropa werden die Samen der Lupine sogar als Snack angeboten. Auch in Deutschland gibt es mittlerweile eine Vielzahl an Produkten aus Lupinenmehl. Die Firma ProLupin bringt vegane Produkte wie Joghurt-Alternativen oder Eis auf den Markt, die statt Mehl als Basis Lupinenprotein-Isolat enthalten.
Neben Milchersatzprodukten kann die Lupinenfaser noch zur Fettreduktion in Wurstwaren verwendet werden. Die Firma Greifen Fleisch in Greifswald beispielsweise nutzt dafür pflanzliches Eiweiß oder Fasern der Blauen Süßlupine. Lupinen bereichern also nicht nur die Landwirtschaft, sondern auch die menschliche Ernährung.
Das Gespräch für die ERNÄHRUNGS UMSCHAU führte Myrna Apel.
Weitere Informationen:
Das JKI arbeitet eng mit dem einzigen Lupinenzüchter Deutschlands, der Firma Saatzucht Steinach, zusammen. Das Unternehmen betreibt eine Zuchtstation in Mecklenburg-Vorpommern, nahe Waren. Außerdem kooperiert das JKI mit dem sogenannten Lupinennetzwerk, welches von der Landesanstalt in Mecklenburg-Vorpommern koordiniert wird, sowie in Drittmittelprojekten mit der Firma ProLupin, die Lebensmittelzutaten aus der Blauen Süßlupine gewinnt. Ferner pflegt das JKI Kontakte mit wissenschaftlichen Einrichtungen, wie dem Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben, dem Thüneninstitut in Trenthorst und in Hinblick auf die Markerentwicklung für Resistenzgene mit einer australischen Arbeitsgruppe in Perth.
Wissenschaftliches Poster des JKI zum Download: Wiederentdeckung des Lupinenanbaus auf ökologisch bewirtschafteten Flächen: Beitrag der Züchtungsforschung
* Bodenpunkte (BP) beziehungsweise Ackerzahlen (AZ) stehen für die Qualität einer Ackerfläche. Sie „berechnen sich aus den Bodenzahlen auf Grund von Zu- und Abschlägen in Abhängigkeit von Klima und ausgewählten Merkmalen – wie Hangneigung, Waldschatten u. a.“ (Quelle: Ulrich Ratzke, Hans-Joachim Mohr: Böden in Mecklenburg-Vorpommern, Abriss ihrer Entstehung, Verbreitung und Nutzung. 2. Auflage. Beiträge zum Bodenschutz in Mecklenburg-Vorpommern. Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, Güstrow 2005 (PDF ), S. 28; Zugriff: 11.3.2016)
** Literatur: Fischer K, Dieterich R, Nelson MN, Kamphuis LG, Singh KB, Rotter B, Krezdorn N, Winter P, Wehling P, Ruge-Wehling B (2015) Characterization and mapping of LanrBo: a locus conferring anthracnose resistance in narrow-leafed lupin (Lupinus angustifolius L.). Theor Appl Genet 128:2121-2130