Interview: Warum Social Media für ausgebildete Ernährungsexperten so wichtig sind
- 20.06.2017
- Online PLUS
- mya
Warum sollten sich gut ausgebildete Fachkräfte wie Diätassistenten und Oecotrophologen als Experten positionieren?
Verena Franke: Ganz einfach: Weil sie Experten sind, und das müssen auch alle erfahren. Wer nicht über sich und seine Fähigkeiten spricht, ist in der Wahrnehmung anderer nicht existent. Nur wer in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, ist relevant.
Was sind die Aufhänger?
Franke: Ich kann potenzielle Klienten erreichen, die Wahrnehmung für den eigenen Berufsstand erhöhen, Budgets für Beratungen erhalten oder wertvolles Fachwissen verbreiten und damit ein Gegengewicht zu den vielen dubiosen Tipps schaffen, die in den Medien kursieren. Das schafft man nur, wenn man sichtbar wird. Heute sind so viele Personen im Bereich Ernährung unterwegs, und die Fachkräfte kommen meinem Eindruck nach online, aber auch immer mehr in den Publikumsmedien, etwas zu kurz. Wenn ich mir Food-Specials in Zeitschriften mit 23 Seiten ansehe, in denen Foodblogger, Köche oder Foodfotografen zu Wort kommen, ich aber keinen Kollegen aus dem Bereich Oecotrophologie oder Diätassistenz entdecke, dann sehe ich das als Handlungsaufforderung, dass wir aktiv werden müssen. Ernährung ist zum Statussymbol geworden, nicht zuletzt durch die Social Media, wo jeder zeigt, was er isst. Die ausgebildeten Fachkräfte sollten sich bei den vielen tollen Foodbloggern umschauen und sich inspirieren lassen.
Was macht Blogger in Sachen Eigen-PR so genial?
Franke: Blogger haben einen langen Atem und geben erst sehr viel: Sie schreiben Beiträge, veröffentlichen Rezepte, bringen Motivation mit und Möglichkeiten zum Austausch. Sie investieren sehr viel Zeit und Mühe in ihre Follower, die dem Blogger treu bleiben, weil er viele spannende Informationen und Inspiration liefert. Dadurch entsteht eine enge Beziehung zwischen dem Blogger und seiner Community. Via Social Media bekommen die Follower täglich mit, was der Blogger macht, und er wird ein Teil ihres Lebens. Die Follower empfehlen zum Beispiel auch ihren Freunden die Rezepte, und so wächst über die Zeit eine Community mit immer größerer Reichweite heran.
Wie vermarkten Blogger diese Reichweite?
Franke: Die Reichweite macht Foodblogger für Unternehmen als Testimonials interessant, aber auch Verlage haben die Foodblogger im Visier. Sie bekommen Rezeptstrecken in großen Magazinen, werden als Experten zum Thema Ernährung befragt und sind dadurch nicht nur online präsent. Mittlerweile gibt es auch schon einige Bücher zu Ernährungsthemen von Bloggern, denn sie haben sich viel Know-how aufgebaut, sind am Puls der Zeit und bringen schon zahlreiche Leser mit, bevor das Buch überhaupt gedruckt ist. Durch die große Reichweite und die Veröffentlichungen haben sie Expertenstatus erreicht. Wobei ich hier nochmals betonen möchte, dass hinter einem erfolgreichen Blog sehr viel Arbeit, Herzblut und Vorleistung stecken, das bekomme ich in der täglichen Zusammenarbeit mit Bloggern mit. An erster Stelle steht immer das Geben: Wer online dauerhaft präsent sein möchte, muss gute Inhalte liefern.
Was können Schüler, zertifizierte Diätassistenten und Oecotrophologen tun, um die Bekanntheit ihrer Berufsgruppen mithilfe der Social Media zu erhöhen?
Franke: Ernährungsfachkräfte müssen sich als solche in den Social Media präsentieren, aktiv werden und untereinander vernetzen. Sichtbar werden sie, indem sie die korrekte Berufsbezeichnung verwenden und sie zum Beispiel als Teil ihres User-Namens führen oder in der sogenannten Bio (dem Erläuterungstext bei Instagram) angeben. Auch die Berufsbezeichnung als „Hashtag“ anzugeben, sorgt für Sichtbarkeit. Als erster Schritt beginnt das alles natürlich, indem man als Fachkraft einen professionellen Account führt und Privates von Beruflichem trennt. Wobei die Aktivität in den Social Media schon viel Persönlichkeit haben sollte. Das ist ein schmaler Grat, denn die Social Media leben von Emotionen, von persönlichem Austausch und einer eher lockeren Sprache. Wichtig ist, dass die Follower einen Mehrwert aus der Aktivität der Ernährungsfachkraft ziehen und dadurch auch ihr Fachwissen demonstriert wird.
Zum Beispiel?
Franke: Eine Möglichkeit ist, nicht nur ein Bild von einem Smoothie zu posten, wie das viele andere auch machen, sondern noch kurz und verbrauchergerecht aufzuführen, welche ernährungswissenschaftlichen Vorteile die Zutaten haben. Die Ernährungsfachkraft sollte immer ein bisschen mehr Wissen, Tipps und Empfehlungen preisgeben. Die Follower werden dies zu schätzen wissen, und der Status als Fachkraft ist dann auch online etabliert.
Welche Arbeit kommt da noch auf mich zu?
Franke: In den Social Media geht nichts ohne Aktivität. Fachkräfte, die sichtbarer werden möchten, sollten andere Beiträge liken, teilen und kommentieren, die sie für wertvoll halten. Oder als Ernährungsfachkraft, wenn jemand zum Beispiel einen Tipp für fettarme Zubereitungsmethoden sucht, einen Expertenratschlag geben. Sie sollten aus der Expertensicht agieren, ohne zu belehren, sondern auch anderen Anerkennung schenken, indem sie zum Beispiel am Ende eines Postings nach Rezepttipps ihrer Follower fragen. Außerdem sollten sich Fachkräfte untereinander in den Social Media vernetzen und unterstützen. Das klappt gut, indem sie gegenseitig Beiträge teilen, liken und kommentieren und dabei betonen, dass es sich um einen fachlichen Kollegen beziehungsweise eine fachliche Kollegin handelt. Auch mit gemeinsamen Aktionen kann man sich als Fachkräfte gemeinsam sichtbarer machen. Sie könnten eine Parade zu einem Thema zum Beispiel „Lieblingssalate der Diätassistenten“ starten, bei der man nacheinander ein Rezept veröffentlicht und dann auf den Kollegen und das nächste Rezept am Folgetag verweist. Der Follower hat so eine tolle Auswahl an Rezepten von Experten und folgt im besten Fall allen Fachkräften. Die Reichweite jedes Einzelnen erhöht sich so.
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Wann ist der beste Zeitpunkt, wenn ich mir als Fachkraft eine mediale Präsenz aufbauen will?
Franke: Immer. Jetzt. Der Zeitpunkt für Fachkräfte, in den Social Media aktiv zu werden, ist derzeit ideal, denn Lebensmittelthemen und Ernährung sind sehr gefragt. Trends wie Clean Eating, Paleo oder Superfoods sind Klickgaranten, sorgen aber auch für Unsicherheit bei den Verbrauchern. An dieser Stelle können wir als Fachkräfte ansetzen, unser fundiertes Wissen einbringen und für unseren Berufsstand werben.
Welche Vorteile gibt es noch?
Franke: Social Media kommt ohne große Barrieren aus, das macht es einfach, mit jemandem in Kontakt zu treten. Ein Kommentar oder eine Nachricht ist schnell getippt, es ist etwas, das viele Menschen tagtäglich tun. Eine E-Mail an eine offizielle Adresse zu schicken, scheuen dagegen viele. Ich stelle das bei der Betreuung der Social Media-Kanäle für unsere Kunden aus der Lebensmittel- und Getränkebranche tagtäglich fest. Über Social Media bekommen wir viel mehr Feedback als über die Kontaktmöglichkeiten auf den Webseiten und können auch flexibler reagieren. Wer sich dafür entscheidet, Social Media als Kommunikationskanal zu nutzen, muss Zeit einplanen und am Ball bleiben. Es sollte einem persönlichen Spaß machen, im Netz aktiv zu sein. Lieblose Bilder oder Postings, die nach Pflichterfüllung aussehen, bringen einen nicht weiter. Mit Authentizität, Persönlichkeit und einer Prise Humor hingegen findet man in den Social Media Kunden, Kollegen und sogar Freunde. Social Media sind zudem ein wichtiger Trendradar, besonders im Bereich Ernährung. Hier wird das neueste Streetfood präsentiert, und hier wurde die Avocado zum Star. Fachkräfte bleiben so am Puls der Zeit, können sich auf die Fragen der Beratungsklienten von morgen einstellen und auch ihr eigenes Angebot – zum Beispiel einen Fachvortrag zum Sinn von Superfoods – dementsprechend attraktiv und aktuell gestalten.
Welche Rolle spielt dabei das "Gypsy-Blogging" und welche Chancen bietet es, fundiertes Wissen breit zu streuen?
Franke: Gypsy-Bloggen ist ein Ausdruck, den wir bei der PR-Agentur „kommunikation.pur“ erfunden haben. Er entstand, als wir unsere Aktivitäten auf Blogs und auch Podcasts beschreiben wollten, die von anderen Bloggern betrieben wurden. Gypsy bedeutet ja so viel wie heimatlos und das passte, da wir zu dem Zeitpunkt noch keinen eigenen Blog hatten, aber oft für Gastbeiträge und Expertenbeiträge auf anderen Blogs angefragt wurden. Gypsy-Bloggen ist eine tolle Win-Win-Win-Situation für den Bloggründer, der seinen Blog mit spannendem Experteninhalt füllen kann, den Gypsy-Blogger, der sich beim Publikum des Bloggers vorstellen darf, und für die Leser, die Expertenwissen aus erster Hand bekommen. Als Experte bekommt man die Chance, sein Wissen einem breiten Publikum zu präsentieren und zum Beispiel eine neue Zielgruppe zu erreichen. Wir haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht, Bloggern auch die eigene Expertise anzubieten und einen Beitrag zu schreiben, da Blogger meist auf der Suche nach spannenden Inhalten für ihre Online-Präsenz sind. Manchmal gibt es auch Themen, an die sie sich selbst nicht herantrauen, zum Beispiel Unverträglichkeiten und Allergien, und diese dann gerne an eine Fachkraft abgeben. Zudem ermöglicht das Gypsy-Bloggen, auf eigene Angebote wie zum Beispiel ein eigenes Buch oder das Beratungsangebot aufmerksam zu machen.
Welche Tipps gibst du jungen Fachkräften mit auf den Weg?
Franke: Trennt Berufliches von Privatem. Seid vorsichtig und stellt euch immer die Frage: Möchte ich, dass dieses Bild, dieser Beitrag von einem zukünftigen Arbeitgeber gesehen wird? Damit möchte ich nicht zu einem glatt polierten Profil ohne Ecken und Kanten ermutigen, sondern ein Bewusstsein für die große Reichweite wecken, die mit den Social Media erzielt werden kann. Auf der anderen Seite möchte ich besonders die jungen Kollegen, die in den Social Media zu Hause sind, dazu ermuntern, sich im Netz zu zeigen und ihr Wissen über die Funktionen in den Social Media auch beruflich zu nutzen. Zeigt, was ihr im Studium und in der Ausbildung alles lernt, wie viel Fachwissen ihr sammelt, teilt eure Tipps aus der Praxis und lasst Menschen in eure Töpfe schauen. All dies kann dazu beitragen, dass mehr Aufmerksamkeit für alle Fachkräfte entsteht, die Bedeutung von Ernährung im Allgemeinen wächst und fundierte Empfehlungen die vielen Falschaussagen im Netz etwas verdrängen.
Ermutigt dies nicht auch zu Ferndiagnosen?
Franke: Generell sollten Fachkräfte keine Ernährungstherapie via Social Media betreiben und anderen Usern Tipps geben, die in Zusammenhang mit einer Krankheit oder Unverträglichkeit stehen. Wenn Fragen zu solchen Themen aufkommen, sollten sie empfehlen, einen persönlichen Termin zu vereinbaren, oder auf entsprechende Kollegen verweisen. Man kann nie genau wissen, wer sich hinter einem Profil verbirgt, und ein Profil kann keine Anamnese ersetzen.
Siehst du beim Thema Social Media auch bei den etablierten Fachverbänden Aufholbedarf?
Franke: Es wäre für die Fachgesellschaften eine große Chance, sich stärker in den sozialen Netzwerken mit eigenen Profilen zu zeigen. Die Profile wie zum Beispiel eine Facebookseite sind in der Regel sehr weit oben in der Google-Suche platziert. Das führt zu vielen Aufrufen und Kontakten. Die Online-Sichtbarkeit im Allgemeinen erhöht sich dadurch. Mit einer stärkeren Social Media-Präsenz würde man dem heutigen Leseverhalten der Bevölkerung entsprechen, denn Onlinezeit ist heute Social Media-Zeit, und User lassen sich von Inhalten in den Kanälen finden, anstatt aktiv auf Webseiten zu gehen und sich dort nach Inhalten umzuschauen. Zudem gibt man durch eine Social Media-Präsenz die Möglichkeit für schnellen Austausch, Inhalte können zeitnah verbreitet und geteilt werden.
Welcher Kanal eignet sich am besten?
Franke: Facebook ist ein Kanal, der sich aus meiner Sicht sehr gut für die Fachgesellschaften als Kommunikationsplattform eignet, da er von vielen Menschen aller Altersklassen genutzt wird und eine gute Kombination von Bildern und Textinhalten ermöglicht. Wer insbesondere Nachwuchskräfte erreichen möchte, kommt um eine Social Media-Präsenz nicht herum. Man kann natürlich nicht vermeiden, dass über Inhalte, die die Fachgesellschaften betreffen, auf den Social Media-Kanälen diskutiert wird. Eine eigene Präsenz ermöglicht es, selbst Inhalte zu verbreiten, bei seiner Zielgruppe nachhaltig präsent zu sein, Stellung zu nehmen und Austausch anzubieten.
Warum agieren die Fachverbände bislang eher zurückhaltend in den Social Media?
Franke: Die Social Media kosten zeitliche und personelle Ressourcen, einen Kanal richtig gut zu bespielen, setzt Expertise voraus. Social Media sind kein „Nebenbeiprojekt“: Kommentare beantworten, einen Redaktionsplan erstellen, immer neue Ideen entwickeln, das ist eine große Aufgabe, die in die Hände eines Social Media- und Community-Managers gehört. Möchte man auch in der Zukunft relevant sein, sollten alle Fachgesellschaften in jedem Fall einen Kanal als Verlängerung der eigenen Webseite aufbauen und den Social Media einen festen Platz in der Kommunikation einräumen.
Das Gespräch für die ERNÄHRUNGS UMSCHAU führte Myrna Apel.
Zur Person: Verena Franke ist Diätassistentin, Oecotrophologin sowie Social-Media- und Community-Managerin. Als PR-Beraterin in der Agentur kommunikation.pur berät sie namhafte Unternehmen der Ernährungs-, Lebensmittel- und Getränkebranche. Sie ist aktives Mitglied der Fachgruppe Marketing des VDD Verband der Diätassistenten - Deutscher Bundesverband e.V.
Interessierte können die von kommunikation.pur entwickelte Gipsy-Anleitung bei Verena Franke kostenfrei anfordern und so erste Schritte als Gastblogger wagen.
Weitere Informationen:
www.kommunikationpur.com
Blog: branchentreff.pur
Kontakt: franke@kommunikationpur.com