Kau- und Schluckstörungen können dazu führen, dass die Betroffenen Angst vor dem Essen und Trinken haben. © ponsulak / iStock / Getty Images Plus
Kau- und Schluckstörungen können dazu führen, dass die Betroffenen Angst vor dem Essen und Trinken haben. © ponsulak / iStock / Getty Images Plus

Interview: „Senioren profitieren von innovativer, texturmodifizierter Kost"

Wie gestaltete sich das Studienkonzept im Detail?

Ott: Die Studie war in zwei Phasen à sechs Wochen gegliedert. In der ersten Phase haben die Bewohner ihre übliche texturmodifizierte Kost weiterhin bekommen, da wurde erstmal nichts geändert. Danach wurde das Küchenteam geschult und in der zweiten Phase haben die Probanden dann die neue Kost basierend auf dem innovativen Konzept erhalten. In der Zeit war dann auch das Küchenteam aus Weihenstephan mit vor Ort. Die Nahrungszufuhr wurde mittels Wiegeprotokoll gemessen, das Körpergewicht wurde ebenso erfasst wie der allgemeine Ernährungs- und Gesundheitszustand. Diese Parameter wurden am Anfang und am Ende jeder Phase überprüft, um den Verlauf optimal dokumentieren zu können.


Was für Unterschiede konnten Sie im Vergleich der beiden Phasen feststellen?

Ott: Die Energie- und Proteinzufuhr der Teilnehmer konnten signifikant gesteigert werden und auch das Körpergewicht hat sich positiv entwickelt. So waren in der ersten Phase überwiegend Gewichtsverluste zu beobachten und in der zweiten Phase war ein Gewichtserhalt beziehungsweise sogar eine Gewichtszunahme der Studienteilnehmer zu verzeichnen.


Wie alt waren die Teilnehmer und welche Konstitution hatten sie?

Ott: Im Schnitt waren die Senioren 87 Jahre alt und hatten alle ein Risiko für Mangelernährung oder waren bereits mangelernährt. Außerdem waren die meisten sehr gebrechlich und somit pflegebedürftig sowie überwiegend dement.


Das heißt, sie konnten nicht selbst essen und Ihnen kein eigenes Feedback geben?

Ott: Bei den meisten Teilnehmern musste das Essen tatsächlich eingegeben werden. Von ihnen haben wir zwar kein verbales Feedback erhalten, aber die Körpersprache war positiv. Spannend war, dass die Personen, die noch selbständig essen konnten, einzelne Komponenten gezielt auswählten und so Präferenzen erkennbar waren. Zudem haben wir Rückmeldung vom Pflegepersonal und Angehörigen erhalten. Dieses war ebenso durchweg positiv.


War es kompliziert, Pflegeheime zu finden, die sich beteiligen wollen?

Ott: Durch ein früheres Projekt, den nutritionDay, entstand der Kontakt zu einem der Heimleiter, der es auch als extrem wichtig empfindet, Wissenschaft und Praxis zusammenzubringen. So hatten meine Kollegen und ich die Chance vor Ort mit jemandem zu arbeiten, der die Studie gerne begleiten wollte. Zudem waren sowohl das Küchenteam als auch das Pflegepersonal sehr motiviert, das neue Konzept umzusetzen.


Wenn die Mitarbeiter in den Einrichtungen stärker für dieses Thema sensibilisiert sind, hilft das künftig womöglich deutlich mehr Betroffenen.

Ott: Ja, denn wahrscheinlich ist die Dunkelziffer derjenigen, die eine texturmodifizierte Kost bräuchten, noch deutlich höher. Umso wichtiger ist es, diesen Menschen ihr Essen angemessen und schön zu gestalten und auch Menschen dafür zu sensibilisieren, die diese Aufgabe täglich übernehmen. Nicht zuletzt spielen die Mahlzeiten eine große Rolle im Seniorenheim – die Bewohner freuen sich im Allgemeinen sehr darauf. Es ist also physisch und seelisch gesehen sinnvoll, die Speisen zu optimieren.


Parallel zu Ihrer Studie wurde eine weitere Untersuchung angestoßen, die sich speziell mit der Kost aus dem 3D-Drucker beschäftigt hat. Wie schätzen Sie hier die Möglichkeiten ein?

Ott: Die Formgebung mit Hilfe von Silikonformen, die wir in der Studie realisiert haben, soll zukünftig durch 3D-Drucker realisiert werden. Parallel zu unserer Studie im Pflegeheim wurde an der Weiterentwicklung dieses 3D-Drucks an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf gearbeitet. Er ist auf jeden Fall eine gute Möglichkeit, die Speisen individualisierter für die einzelnen Bewohner anzureichern. Auch mit Blick auf die Portionsgrößen ist der 3D-Druck flexibler als Formen, da zum Beispiel die Optik bei kleineren Portionen beibehalten werden kann und kleine Portionen mit hoher Nährstoffdichte angeboten werden können. Anzunehmen ist auch, dass die Automatisierung langfristig den Arbeitsaufwand reduziert.

Das Interview führte Myrna Apel.


© Foto-Ott Eschenbach
Angela Ott. © Foto-Ott Eschenbach

Zur Person: Angela Ott (M.Sc.) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Biomedizin des Alterns der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Seit ihrem Studienabschluss an der Technischen Universität München, wo sie den Master Nutrition and Biomedicine absolvierte, arbeitet sie an ihrer Promotion in der Forschungsgruppe von Frau Prof. Dr. rer. nat. Dorothee Volkert und Herrn Prof. Dr. med. Cornel C. Sieber. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Ernährung und Zufuhrerfassung von Senioren mit Kau- und/oder Schluckstörungen. Aktuell forscht sie im enable-Cluster an den Effekten einer innovativen texturmodifizierten Kost für Pflegeheimbewohner mit Kau- und/oder Schluckstörungen.

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